© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/02 01. Februar 2002

 
Kolumne
Schlapphüte
von Helmuth Knütter

Wirklich, ich möchte kein Verfassungsschützer in dieser BRD sein! Da bemühen sie sich Tag und Nacht um den Schutz der Verfassung, wie sie es verstehen, sie gehen parteipolitisch auf Vordermann, wie die jeweilige politische Landes- oder Bundeskonstellation es verlangt, und was ist der Dank? Verurteilung der Spitzelei, wenn sie Erfolg haben, und wenn sie keinen haben, erst recht. So ungefähr müssen sich in früheren Jahrhunderten die Henker gefühlt haben: Sie galten als notwendig, um die Ordnung zu bewahren, wurden aber wegen ihrer Methoden als unrein verachtet.

Was nun die NPD betrifft, waren sie nicht sehr erfolgreich in der Zersetzung dieser Partei? Sehr im Gegensatz zur Kontrolle der extremen Linken, denn deren Anhänger sitzen in Bundes- und Landesregierungen. Linke Meinungsmacher haben jahrelang behauptet, die Atmosphäre der Adenauerzeit sei dumpf, spießig, verlogen gewesen. Sie war aber geradezu erfrischend, wenn man sie mit dem heutigen innenpolitischen Klima unter Rot-Rot-Grün vergleicht. Es herrscht eine Spitzelfurcht, die sich nur graduell von früheren, überwundenen Systemen unterscheidet. Dabei ist diese Spitzelei ein Zeichen der Schwäche. Wer unerwünschte Gedanken zu fürchten hat, zeigt, daß er sich seiner Werte und Herrschaftsstrukturen nicht sicher ist. Das lehrt ein Blick auf die abgewirtschafteten Ostblocksysteme: KGB und Staatssicherheit haben trotz ihrer Spitzelarmeen den Bestand ihrer Systeme nicht garantieren können.

Im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren ist wieder einmal der alte Verdacht aufgetaucht, der Verfassungsschutz schaffe durch agents provocateurs die Verfassungsfeindlichkeit, die er anschließend zu bekämpfen behauptet. Wenn jetzt die Parteipolitiker der Etablierten eilig dem Verfassungsschutz alle Schuld zuschieben, sei betont, daß der Geheimdienst nur die Schmutzarbeit für die politischen Funktionäre macht. Das war in der DDR nicht anders. Auch hier versuchte sich die verantwortliche SED auf Kosten des MfS als harmlos zu tarnen. Die unerträgliche Atmosphäre der Verdächtigungen und Verleumdungen wird von den Staats- und Parteifunktionären der Etablierten verschuldet.

Was folgt daraus für die NPD, deren Verfassungsfeindlichkeit mindestens teilweise von Provokateuren fabriziert wurde? Der SPD-Innenpolitiker Wiefelpütz weiß: Sie ist trotzdem verbotswürdig. Und Kanzlerkandidat Stoiber verrät uns im Fernsehen auch, warum: Weil sie „unappetitlich“ ist. Das Urteil steht fest, nur die Argumente müssen zurechtgebogen werden.

 

Prof. Dr. Hans Helmuth Knütter lehrte Politikwissenschaft an der Universität Bonn.


 
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