© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/02 01. Februar 2002

 
CD: Klassik
Abgehört
Walter Thomas Heyn

Das mittlerweile weltberühmte Kronos-Quartett muß Musikinteressierten nicht vorgestellt werden. In der Besetzung David Harrington (1. Violine), John Sherba (2. Violine), Hank Dutt (Viola) und Joan Jeanrenaud (Violincello) erkunden sie immer wieder den Mikrokosmos der Kammermusik für Streicher. Ein Streichquartett, so ließ uns Meister Goethe vormals wissen, müsse sein, „als wenn vier vernünftige Personen sich unterhalten“. In dieser Kunst ist das Kronos-Quartett weit gekom- men, unübertroffen aber ist es darin, die ausgetretenen Pfade des Kammermusik-Betriebes mit Mozart, Haydn, Beethoven und Debussy immer wieder zu verlassen und neue Terrain zu erkunden.

„Pieces of Africa“ räumt mit dem Vorurteil auf, daß es in Afrika keine E-Musik-Komponisten und keine ernstzunehmende Kammermusik gäbe. Dumisani Makaike (Zimbabwe), Hassan Hakmoun (Marokko), Foday Musa Suso (Gambia), Justinian Tamusuza (Uganda), Jamza El Din (Sudan), Obo Addy (Ghana) und Kevon Volans (Südafrika) bieten eine ungeheure Fülle interessanter musikalischer Eindrücke. Besonders interessant ist der 1. Satz aus dem Zyklus „Ekitundu Ekisooka“, eine witzige und gleichzeitig vertrackte Kombination aus europäischen Harmonien im Stile von Dvorak mit afrikanischen Rhythmen, die in allen möglichen Spielarten pochend und klopfend den Streichinstrumenten entlockt werden. Die CD ist bei Elektra Nonesuch (7559-79275-2) erschienen.

Bleiben wir bei den Saiteninstrumenten. Das Open Strings Gitarrenfestival fand im Mai 2000 zum vierten Male statt. Hunderte von Teilnehmern aus der ganzen Welt hatten sich beteiligt, die fünf Besten bestritten das Finale in Osnabrück. Daß sich die Gitarrenkunst von Karim Baggili (Belgien), Bob Bonastre (Frankreich), Ulf Müller (Deutschland), Double Talk (Deutschland) und Timo Nieto (Argentinien) auf professionellem Niveau abspielt, setzt man voraus. Die CD „New Strings 2000“ präsentiert musikalisch rasante Stücke, die mit technischer Brillanz ebenso gespickt sind wie mit verhalten-melancholischen Titeln unterschiedlicher Couleur.

Der Berliner Komponist Kurt Schwaen kannte Brecht noch persönlich. Der heute in Hellersdorf lebende und nach wie vor rastlos tätige Künstler hat das Glück zu erleben, wie eines seiner zentralen frühen Werke, das Lehrstück mit Musik „Die Horatier und die Kuriatier“ vom Deutschlandradio Berlin produziert und unlängst veröffentlicht wurde. Von Michael Dasche sorgfältig redaktionell betreut und von Axel Bertram vorder-hintergründig graphisch ausgestaltet, offenbaren Schwaens tonkarge Musiken in Verbindung mit den grausam-dialektischen Texten Brechts die Erinnerung an eine Zeit, die in ihrer Bedrohlichkeit heute wirkt wie eine Sage aus der Nibelungenzeit.

Brecht, im Westen lange als kommunistischer Agitator verschrien und als Künstler boykottiert, erzählt in diesem Text die Geschichte eines Feldzuges. Die Bösen greifen an und die Guten verteidigen sich. Natürlich haben die Guten schlechtere Waffen und müssen die technische Unterlegenheit durch gedankliche Anstrengungen ausgleichen. Aber Brecht erzählt auch noch zwei andere Geschichten, eine vom Lernen unter extremen Umständen, die andere von der Notwendigkeit, das Eigene gegen Fremdes zu verteidigen und zu bewahren. Ein Lehrstück!

Die Chöre der jugendlichen Laiendarsteller (Leitung Mirjam Sohar) offenbaren das heute übliche interessierte Nichtwissen der Nachgeborenen. Die jungen Leute kommen mit ihrer kollektiven Erkenntnis nicht hinter und nicht zwischen die Zeilen des vieldeutigen Textes.Doch Schwaens Musik drückt quasi von allein alles aus, die Lakonie, die Verzweiflung, aber auch die Hoffnung. (Bezug: Kreuzberg Records / AMA-Verlag, Wesselinger Str. 2 - 8, 50321 Brühl, Tel. 0 22 32 / 6 96 30)


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen