© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/02 01. Februar 2002

 
Sechs Freunde sollt ihr sein
Kino: „Was tun, wenn’s brennt“ von Gregor Schnitzler
Werner Olles

Der politische Film ist in Deutschland schon immer am verzweifelten Kunstwollen seiner Autoren und Regisseure gescheitert. Während in Frankreich, Spanien, Italien oder England große Politfilme gedreht wurden - man denke nur an Costa-Gavras Meisterwerk „Z“, Carlos Sauras „Dämonen im Garten“ oder Victor Erices „Der Süden“ - reichte es hierzulande gerade für ein paar eindimensionale Parabeln auf kleinere Stücke bundesrepublikanischer Nachkriegsgeschichte. Paradebeispiel dafür war „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, Volker Schlöndorffs völlig mißlungene Verfilmung eines Romans von Heinrich Böll, der zwar etwas vom spezifisch Rheinisch-Kölschen Katholizismus verstand, aber nichts von jener merkwürdigen Epoche, die später als „Deutscher Herbst“ bekannt wurde. Auch „Die Bleierne Zeit“ und „Rosa Luxemburg“ von Margarethe von Trotta, jener Lieblingsmuse der linken Kulturschickeria, von Kritikern und Cineasten hochgelobt und von den BRD-Filmförderungsanstalten und Filmstiftungen noch höher subventioniert, darf man getrost in das Genre „Revolutionskitsch“ einreihen. Während in französischen oder spanischen Filmen politästhetische Versuche, politische Intentionen ohne Angst vor Pathos Geschichte werden zu lassen, sich durchaus sehen lassen können, hat sich der deutsche Film vom Schock des Nationalsozialismus offenbar bis heute nicht lösen können.

Mit seinem Kinodebüt „Was tun, wenn’s brennt?“ möchte Regisseur Gregor Schnitzler ausdrücklich nicht an diese trübe Zeit anknüpfen, und so beginnt alles im Berlin der achtziger Jahre, wo Tim (Til Schweiger), Flo (Doris Schretzmayer), Maik (Sebastian Blomberg), Hotte (Martin Feifel), Nele (Nadja Uhl) und Terror (Matthias Matschke) als „Gruppe 36“ gemeinsam in einem besetzten Haus lebten und nach dem lustigen Motto „legal - illegal - scheißegal“ der Staatsmacht eine lange Nase drehten.

Bevor die sechs hoffnungsvollen jungen Menschen 1987 auseinandergingen, weil es mit der kreativen Anarchie irgendwie nicht mehr so richtig funktionierte, Hotte zum Krüppel im Rollstuhl wurde, nachdem er von einem Wasserwerfer überrollt wurde, und mindestens zwei Drittel des revolutionären Ensembles inzwischen von Karriere, Knete oder trautem Familienglück träumten und ihrer versifften, zugemüllten Behausung den Rücken kehrten, deponierte man noch schnell einen selbstgebastelten Sprengsatz in einer leeren Grunewaldvilla. Dreizehn Jahre später explodiert der dann plötzlich, als eine Maklerin einem interessierten Staatssekretär das Gebäude zum Kauf anbietet.

Fortan ist dem Sextett sein ältester und härtester Widersacher, der Polizeiermittler Manowsky (Klaus Löwitsch) auf den Fersen. Um die von ihm in einer Polizeikaserne sichergestellten Beweise an sich zu bringen, müssen die sechs sich wieder zusammenraufen. Was gar nicht so einfach ist, denn ihre Lebenswege sind in all den Jahren sehr unterschiedlich verlaufen: Während Tim und Hotte in ihrem abbruchreifen Haus immer noch von der alten Kampfzeit schwärmen, steht Flo kurz vor ihrer Traumhochzeit mit einem Traummann, hat Nele als alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern eigentlich ganz andere Probleme, macht Maik als Werbefuzzy längst das große Geld und Terror („High sein, frei sein, Terror muß dabei sein!“), einstmals der militanteste der Gruppe, steht kurz vor seiner Ernennung zum Staatsanwalt.

Wenn Schnitzler sich entschieden hätte, diese Geschichte fernab von poppigem Geplänkel eindringlich und dennoch heiter zu erzählen, wäre daraus womöglich ein großer, zumindest aber ein spannender Film geworden. Aber der Regisseur (Jahrgang 1964) entschied sich anders. Die Straßenkämpfe, mit denen der Film beginnt, kosten hier zwar auch Blut, Schweiß und Tränen und Hotte sogar seine Beine - ein Verweis auf den 1981 von einem Bus tödlich überrollten Hans-Jürgen Rattay -, sind aber eine coole Sache. Das jedenfalls will uns der Film weismachen, wenn er suggeriert, es sei - in den achtziger Jahren! - um ein Ringen um Befreiung gegangen. Aber wenn die siebziger Jahre eine Banalisierung von 67/68 waren, waren die achtziger ihre Trivialisierung. Soviel zu diesem Film als Politikum.

Es stimmt aber auch sonst fast nichts. Til Schweiger als alternder autonomer Punk sieht immer ein wenig aus wie ein Obersturmführer der Leibstandarte Adolf H. vor der Kapitulation, und den gesamten Plot bestimmen Antagonismen, so daß das Ganze immer haarscharf am Klischee vorbeischrammt. Ein Lichtblick ist allein der Schauspieler Klaus Löwitsch in der Rolle des verbitterten Polizisten Manowsky, der einzigen Figur, die offenbar verstanden hat, was passiert, wenn die alten Fassaden zerbrechen und nur neuen Kulissen Platz machen, und was Widerstand wirklich bedeutet. Aber auch Löwitsch kann diesen Film, der außer langweiligen Monologen über eine langweilige lebenslange Pubertät nur wenig zu bieten hat, nicht retten.

So bleibt als Fazit nur die Erkenntnis: Wenn ein deutscher Regisseur die Räuber- und Gendarm-Spielchen, die sentimentale Infantilität und innige Selbstverliebtheit endlos pubertierender Kindsköpfe mit Revolution verwechselt, kommt als Stilprinzip nur eine Mischung aus naivem Getue, Weltschmerz und hochfahrendem Kunstgewerbe heraus.


 
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