© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/02 08. Februar 2002

 
Bimbes und Filz meerumschlungen
Schleswig-Holstein: Vorteilsnahme und Korruption belasten die rot-grüne Koalition unter Heidi Simonis
Jochen Arp

Mit der rot-grünen schleswig-hol-steinischen Landesregierung unter der ansonsten wortgewaltigen Ministerpräsidentin Heide Simonis geht es sturzflugartig in die Tiefe. Finanziell geht es dem Land miserabel; aber finanzielle Sorgen haben andere Bundesländer auch. Was Schleswig-Holstein auszeichnet, ist die Aufdeckung einer riesigen finanziellen Panne nach der anderen. Stellte man im vorigen Jahr fest, daß im Etat für das Bildungswesen ein Loch von 35 Millionen DM vorhanden war, die man bei Aufstellung des Haushaltes nicht bedacht hatte - die Entschuldigung der Landesregierung: eine „arme Seele“ habe sich verrechnet - wirft jetzt der Landesrechnungshof der bislang stabilsten Stütze des Regimes Simonis´, dem Finanzminister Claus Möller, vor, er und sein Haus hätten „gravierend“ gegen Vergabe- und Haushaltsrecht verstoßen, als es um die Einführung des „Mittelsbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystems für die Landesverwaltung“ ging. Das ist ein Software-System, das die Landesregierung in die Lage versetzen soll, eine gezieltere Kostenkontrolle durchzuführen.

Der Auftrag wurde ausgeschrieben. Es bewarben sich mehrere Firmen. Sachverständige stellten eine Rangliste nach fachlichen und finanziellen Gesichtspunkten auf. Der unabhängige Landesrechnungshof fand nun heraus, daß vom Finanzministerium nicht etwa jenes System ausgewählt worden ist, das fachlich am kompetentesten und finanziell am günstigsten lag, sondern eine Software von der Bietergemeinschaft SAP/ Debis, die dreimal so teuer war wie das Angebot einer anderen Firma, die an erster Stelle der in Frage kommenden Systeme lag, während das SAP/Debis-System nur den fünften Rang einnahm. Das gekaufte SAP-System kostet 10,8 Millionen Euro und bedarf in den nächsten 15 Jahren für Betrieb und Pflege eines Aufwandes von 416 Millionen Euro. Bei der Auftragserteilung habe man wesentlich gegen die Verdingungsordnung und Grundsätze des Haushaltsrechts verstoßen, so der Landesrechnungshof. Waren diese Vorwürfe schon massiv genug, so eskalierte der Fall, als bekannt wurde, daß die ehemalige Projektleiterin im Finanzministerium, die mit der Prüfung und Vorbereitung der Auftragserteilung beschäftigt war, gleich nach Abwicklung ihrer Aufgaben aus dem Landesdienst ausgeschieden war, um bei der Firma SAP einen gut dotierten Job anzunehmen. Wegen des Verdachtes auf Korruption schaltete das Finanzministerium die Staatsanwaltschaft ein.

War das Faß nun schon voll, brachte es eine zusätzliche Horrormeldung zum Überlaufen. Nicht nur die ehemalige ministerielle Projektleiterin stand und steht in enger Beziehung zur Firma SAP, sondern auch der damalige Staatssekretär des Finanzministeriums, Joachim Lohmann, eigentlich ein Fachmann für Schulfragen und heftiger Kämpfer für die Gesamtschule, der dann aber durch Parteitaktik Staatssekretär im Finanzministerium geworden ist. Der heute 66jährige war unmittelbar nach Vergabe des Computergroßauftrages an die Firma SAP/Debis in den Ruhestand gegangen, der für ihn aber keineswegs Müßiggang bedeutete. Was angeblich niemand wußte: Er wurde sogleich bei der Firma SAP als Berater tätig und erhielt zusätzlich zu seiner Pension im ersten Jahr 50.000 Mark und in den Jahren 2000 und 2001 jeweils mehr als 200.000 Mark Honorar.

Sein damaliger Vorgesetzter, der immer noch amtierende Finanzminister Claus Möller, gibt sich jetzt ahnungslos und erschrocken, während Lohmann dagegen hält, er habe Möller schon vor längerer Zeit über diesen Beratervertrag unterrichtet. Möller streitet das ab. Ministerpräsidentin Heide Simonis stellt sich hinter ihren Minister, so daß die Presse warnt, Möllers Fall werde auch die Ministerpräsidentin mit in den Abgrund reißen. Die Affäre hat noch nicht ihren Höhepunkt erreicht.


 
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