© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/02 08. Februar 2002

 
Ohne ein geistiges und geistliches Zentrum?
Der Wiederaufbau der 1968 gesprengten Leipziger Unikirche hat mächtige Widersacher / CDU-Basis klar für Paulinerkirche
Jörg Fischer

Ein offener Brief des sächsischen Finanzministers Thomas de Maizière und des Wissenschaftsministers Hans Joachim Meyer an den Medizinnobelpreisträger Günter Blobel hat Ende Januar in der Leipziger CDU für Wirbel gesorgt. Die beiden CDU-Landespolitiker vertreten darin die Auffassung, daß ein originalgetreuer Wiederaufbau der 1968 auf SED-Anordnung gesprengten Universitätskirche „nicht möglich“ sei, weil es heute „keinen authentischen Anknüpfungspunkt“ dafür mehr gäbe (siehe JF 5/02).

Der Leipziger CDU-Kreisvorsitzende Kurt-Ulrich Mayer reagierte empört: „Das kann und soll nicht das letzte Wort in dieser Frage gewesen sein!“ Der Chef der Jungen Union Sachsens, Robert Clemen, hält ebenfalls einen Wiederaufbau für „den richtigen Schritt“. Für den 34jährigen Landtagsabgeordneten ist die von den Ministern geforderte „übergreifende Lösung“ die Wiedererrichtung der Paulinerkirche: „Wie sollte eine Universität denn ohne ein geistiges und geistliches Zentrum wirklich modern sein können?“

Sein CDU-Fraktionskollege Volker Schimpff hält eine Neufassung der Ausschreibung für das Leipziger Unigelände deshalb „für unverzichtbar“ und auch machbar, da die „Zeitschiene bis 2009 läuft“. Schimpff erinnerte daran, daß sich Minister Meyer auch in der Auseinandersetzung um das Karl-Marx-Relief am Unigebäude gegen die Leipziger CDU-Basis gestellt hatte: „Dagegen hat der so oft als geizig bezeichnete heutige CDU-Landesvorsitzende Georg Milbradt schon damals Entgegenkommen signalisiert. Ihn sollte sich de Maizière als ein gutes Beispiel nehmen, anstatt sich gemeinsam mit Professor Meyer zum Testamentsvollstrecker Walter Ulbrichts aufschwingen zu wollen!“

Die Bürgerfraktion im Leipziger Rathaus - bestehend aus DSU, FDP, Neues Forum und Volkssolidarität - war ebenfalls entsetzt. Der geforderte „wahre authentische Anküpfungspunkt“ sei „die friedliche Revolution vom Herbst 1989“.


 
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