© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002

 
Ende des Kadersystems
Die Krise der Arbeitsverwaltung ist eine Chance für den Arbeitsmarkt
Eberhard Röpke

Das Arbeitsamt ist in vielen Städten der luxuriöseste Verwaltungsbau oft größer als das Rathaus. Diese Mammutbehörde, finanziert durch Steuern und Zwangsbeiträge, hat sich der Staat in den letzten 30 Jahren immer mehr kosten lassen, mal mit der Begründung, daß die Arbeitslosenziffer steige, mal mit dem Argument zusätzlicher Aufgaben.

Jetzt ist aufgeflogen, daß häufig geschönte Vermittlungsstatistiken veröffentlicht wurden. Die Opposition fordert den Rücktritt des SPD-Arbeitsministers, der für diese Behörde verantwortlich ist und von dieser Betrügerei seit 1998 gewußt haben soll. Doch Walter Riester wird nicht gehen - auch wenn er die Betrügereien selbst veranlaßt hätte. Er war ein führender Gewerkschaftsfunktionär, seine DGB-Genossen üben entscheidenden Einfluß auf Arbeitsverwaltung und Regierung aus. Die gesamte Arbeitsverwaltung ist ein marktwirtschaftsfeindlicher Block und Fremdkörper in einem System, in welchem nach dem Grundgesetz eigentlich die demokratische Herrschaft von unten, vom Volke ausgehen sollte, nicht von den Funktionären einer außerparlamentarischen, kaum kontrollierten Machtgruppe. Und ebenso steht die Arbeitsverwaltung als Denkmal dafür, daß die Clique unserer Sozialfunktionäre den angeblichen Arbeitsmarkt immer weniger zum „Markt“ und immer mehr zu einem sozialistischen Zentralverwaltungsbereich umfunktioniert hat.

Alle Bundesregierungen haben den Arbeitsmarkt mehr oder weniger freiwillig der Herrschaft der Sozial- und Gewerkschaftsfunktionäre überlassen. Das war bei den Klerikalsozialisten der CDU nicht anders als bei den heute herrschenden Gewerkschaftssozialisten der SPD. Dies hat dazu geführt, daß es immer schwieriger wird, Arbeitsangebot und nachfrage in Einklang zu bringen. Der Arbeitsmarkt wurde immer stärker reglementiert und bürokratisiert und den Wünschen der Sozialfunktionäre unterworfen. Eines ihrer wesentlichen Herrschaftsmittel ist die Arbeitsverwaltung.

Will ein Unternehmer einen Mitarbeiter beschäftigen, so kann man dies oftmals nicht frei aushandeln, das Beschäftigungsverhältnis richtet sich bis in alle Einzelheiten nach einem von den Gewerkschaften diktierten Tarifvertragsgesetz. Will der Arbeitgeber mit seinen Mitarbeitern einzelbetriebliche Vereinbarungen treffen, darf er dies nicht. Er muß den Betriebsrat fragen - und wo kein Betriebsrat besteht, können drei Mitarbeiter neuerdings diesen erzwingen (Kanzler Schröders „Reform des Betriebsverfassungsgesetzes“).

Sind Arbeitnehmer längere Zeit beschäftigt, so staut sich ein wachsender Abfindungsanspruch auf, der aber nicht in der Bilanz und in der Steuer berücksichtigt werden darf. Betriebsübergaben werden so in vielen Fällen unmöglich gemacht, Arbeitsgerichte fungieren inzwischen als „Abfindungsbörsen“.

Müssen in einer Krise Mitarbeiter entlassen werden, muß eine „Sozialauswahl“ getroffen werden, müssen die Besten gehen - die verbleibenden Leistungsschwachen können Mittelständler jedoch in den Konkurs treiben. Selbst das Entlassungsprocedere ist bis ins kleinste Detail geregelt. Doch auch aus Sicht der Arbeitnehmer ist das Sozialsystem keine reine Freude. Sie bekommen selbst im Extremfall nur ein Drittel dessen ausgezahlt, was dem Betrieb die Arbeitsstunde kostet: Fiskus und Sozialversicherungen kassierten 1999 von 100 Mark brutto rund 36 Mark - satte sechs Mark mehr als noch 1991. Ein Industriearbeiter kostet den Arbeitgeber durchschnittlich 5.200 Mark im Monat - doch nur 2.500 Mark werden ihm aufs Konto überwiesen. Kein Wunder, wenn deshalb viele in die Schwarzarbeit flüchten, wo man „bar auf Kralle“ bezahlt wird und nicht den Sozialverwaltungsvorschriften ausgeliefert ist.

Der Untergang der sozialistischen Zentralverwaltungssysteme hat gezeigt, daß die Marktwirtschaft jeder Verwaltungswirtschaft prinzipiell nicht nur freiheits- sondern auch kostenüberlegen ist. Würde auch im Arbeitsbereich wie in anderen Bereichen wirklicher Wettbewerb herrschen, bräuchten wir weder die Arbeitsamtpaläste noch die Arbeitsamtsfunktionäre, vor allem aber nicht die jetzt mit Betrügereien aufgeflogenen öffentlichen Arbeitsvermittler. Private Arbeitsvermittler auf Provisionsbasis wären viel billiger, erfolgreicher und ergäben steuerbringende Privatunternehmen statt der steuerverzehrenden Verwaltung.

Die fällige Korrektur wird wegen des internationalen Wettbewerbs nicht ausbleiben können. Die derzeitige Krise der Arbeitsverwaltung sollte genutzt werden, um das System selbst in Frage zu stellen, um in der Arbeitsvermittlung Privatisierung, in den Arbeitsvorschriften Entbürokratisierung und mehr Selbstbestimmung zu fordern. Es ist einfach nicht mehr tragbar, wenn in unserer Wirtschaft inzwischen auf vier produktiven Arbeitnehmern ein unproduktiver Berufsbetreuer, Sozialfunktionär und Verwaltungsbeamter lastet. Wird dieses „Kadersystem“ nicht aufgebrochen, dann wird unsere Volkswirtschaft immer stärker belastet. Der Wohlstand nimmt so, wie einst in den sozialistischen Systemen, permanent ab. Ist die Politik nicht zur Umkehr in der Lage, wird das „Sozialfeudalsystem“ in nicht allzu ferner Zukunft von ganz allein zusammenbrechen - wie dies im Laufe der Geschichte immer geschehen ist.


 
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