© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002

 
PRO&CONTRA
Arbeitsvermittlung privatisieren?
Dirk Niebel / Karsten Koppe

Der Skandal um die falschen Vermittlungsstatistiken der Bundesanstalt für Arbeit (BA) hat deutlich gemacht, daß die Arbeitsverwaltung in ihren jetzigen Strukturen nicht zukunftsfähig ist. Nur rund zehn Prozent der fast 90.000 Mitarbeiter sind in der Arbeitsvermittlung tätig. Die Hälfte von ihrer Arbeitszeit wird von vermittlungsfremden Tätigkeiten absorbiert. Die Vermittlung eines Arbeitslosen auf einen Arbeitsplatz ist das kostengünstigste und effektivste arbeitsmarktpolitische Instrument.

Die Schwerpunkte bei den personellen und materiellen Ressourcen müssen deshalb anders gesetzt werden. Die Landesarbeitsämter haben nur wenige eigene Fachaufgaben, sie können abgeschafft werden. Die Hauptstelle der BA soll für die Rahmenbedingungen der Verwaltung zuständig sein und die Arbeitsämter werden Dienstleistungszentren. In einem Job-Center können staatliche und private Arbeitsvermittler, Zeitarbeitsfirmen, Bildungsträger, Therapeuten und Berater unter einem Dach und Hand in Hand arbeiten. Die Arbeitsvermittlung soll nicht generell privatisiert werden, aber die Kooperation zwischen privaten und öffentlichen Arbeitsvermittlern muß genauso wie der gesunde Wettbewerb gestärkt werden. Das bedeutet keineswegs, daß sich die Privaten um die Hochqualifizierten reißen und den Arbeitsämtern die Schwervermittelbaren überlassen.

Private Arbeitsvermittler müssen als Chance im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit besser genutzt werden. Den Arbeitsämtern müssen Globalhaushalte zur Verfügung stehen. Vor Ort soll entschieden werden können, ob besser in eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme investiert, ein zusätzlicher Arbeitsvermittler eingestellt oder Erfolgsprämien an private Arbeitsvermittler gezahlt werden. Dabei können erfolgsabhängige Prämien auch die Motivation der staatlichen Vermittler verbessern.

 

Dirk Niebel ist arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied im Ausschuß für Arbeit und Soziales.

 

 

Der Arbeitsmarkt in Deutschland leidet nicht unter einem Vermittlungsproblem, sondern unter einem Arbeitsplatzdefizit und unter Diskrepanzen in Angebots- und Nachfrageprofilen.

Die Bundesanstalt für Arbeit hat seit dem 1. August 1994 nicht mehr das Alleinrecht zur Vermittlung. Jeder, der sich von der Dienstleistung „Vermittlung“ einen unternehmerischen Gewinn erwartet, kann seitdem - bei Erfüllung gewisser Auflagen - diese Geschäftsidee nutzen. Die Zahl privater Vermittler wuchs bundesweit von 2.110 im Jahr1994 auf 5.900 Ende 2000. Die Vermittlungen durch private Arbeitsvermittler nahmen im gleichen Zeitraum von 354.800 auf 494.190 um 39 Prozent zu.

Die erhoffte Belebung der Ausgleichsprozesse auf dem Arbeitsmarkt sind nicht in dem erwarteten Umfang eingetreten. Dies, obwohl Private einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Arbeitsämtern haben: Sie können sich die Klientel selbst nach Qualifikation und aktueller Marktlage aussuchen. Die Arbeitsämter müssen dagegen für alle Arbeitsuchenden Lösungsmöglichkeiten finden, die sich an die Arbeitsämter wenden.

Private sind - wie die Arbeitsämter - von der Nachfrage der Unternehmen entsprechend der konjunkturellen Zyklen abhängig. Sie werden daher ihre Aktivitäten immer auf die marktgängigen Bewerber konzentrieren. Alle, die nicht der aktuellen Norm entsprechen, fallen durch das Raster.

Und wer die Struktur der Arbeitslosen betrachtet, weiß, welche Probleme bei einem Großteil dabei zu bewältigen sind. Dies werden Private nie leisten können und wollen. Es bleibt auch die Frage offen, welcher Aufwand mit der Überwachung der Dienstleistung verbunden ist. Private Arbeitsvermittler stellen allerdings eine sinnvolle Ergänzung in einigen Branchen und Berufsfeldern dar, aber keine Alternative.

 

Karsten Koppe ist Präsident des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.


 
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