© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002

 
Kulturrevolution in der Landwirtschaft
Buchtip: Der Journalist Franz Alt fordert eine Agrarwende / „Gesunde Lebensmittel für alle“
Volker Kempf

Die BSE-Krise erschütterte 2000 / 2001 Europa. Es sprach sich auch herum, daß der sogenannte Rinderwahnsinn das Symptom einer auf „Masse statt Klasse“ setzenden europäischen Agrarpolitik ist. Renate Künast war es dann, die das Schlagwort von einer „Agrarwende“ hin zu mehr „Klasse statt Masse“ für sich beanspruchte.

20 Prozent Ökolandbau will die bündnisgrüne Verbraucherschutzministerin in den nächsten Jahren auf dem deutschen Markt für Agrarprodukte etabliert wissen. Ein gut sichtbares einheitliches Etikett soll Verbrauchern den entsprechenden Griff ins Regal erleichtern. Dieser Griff hat allerdings auch einen höheren Preis. Und da beginnen geneigte Landwirte am Erfolg des ganzen Vorhabens zu zweifeln. So schreibt dieser Tage ein Landwirt aus Krositz im NABU-Magazin Naturschutz heute: „Als Naturschützer würde ich es ja begrüßen, wenn sich etwas verändert, aber als Landwirt und Realist sehe ich in der Künast-Politik keine Zukunft, weil die Verbraucher am Ende doch immer das billigere Produkt kaufen, und daran wird sich in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit auch nichts ändern.“ Ist Franz Alt also kein Realist, wenn er eine „Agrarwende jetzt“ fordert? 20 Prozent Ökolandbau sind dem Autor noch zu wenig, 100 Prozent sollen es bitteschön werden.

Sicher ist, daß Alt in seinem im Herbst 2001 erschienenen Buch an genau dem Knackpunkt ansetzt, den besagter Landwirt benennt. Es sind also wir, die Verbraucher, denen Alt nahebringt, welchen gesundheitlichen Preis billige Nahrungsmittel haben.

In Rechnung stellt der bekannte Fernsehjournalist auch, was die jetzige landwirtschaftliche Produktion für negative Folgen für Luft, Wasser und Böden hat - von den Tieren selbst gar nicht erst zu reden. Aber auch die Politik ist nicht minder gefordert, zumal sie auf EU-Ebene die wahren Preise von Lebensmitteln verzerre. Denn Massenware werde subventioniert, um diese dann teilweise wieder zu vernichten und teuer zu lagern. Hinzu kämen Flächenstillegungsprogramme, was die EU beziehungsweise die Steuerzahler letztlich zig Milliarden Euro jährlich koste, wenn auch nicht unmittelbar im Supermarkt. Dieses Geld sei für eine Agrarwende sinnvoller zu verwenden. Alt nennt konkret etwa die Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung von Landwirten in der Umstellungsphase. Denn die finanzielle Sonderbelastung verhindere bisher, daß nicht viel mehr Ökolandbau-Produkte erzeugt werden, nach denen die Nachfrage schon jetzt beachtlich sei, wenn sie auch im Verhältnis zu konventionell erzeugten Produkten noch größer werden müsse. Bescheidene Ansätze zur Behebung des genannten Finanz­problems bei Umstellungsbetrieben macht Alt in der EU-Agrarpolitik aber bereits aus, was er lobend erwähnt, wie er überhaupt wohltuend mehr am Positiven anknüpft, statt nur das Schlechte herauszustreichen.

Alles in allem macht Franz Alt mit seinem Buch „Agrarwende jetzt“ plausibel, daß mit der BSE-Krise nicht ein sektorales Problem vorliegt, das mit instrumenteller Vernunft zu lösen sei, sondern eine Kulturkrise, die eine „Kulturrevolution“ erfordere, welche man durchaus konservativ nennen könnte. Hierbei nutzt der Fernsehjournalist aus Baden-Baden seine Popularität und brillante Formulierungsgabe, um eine derartige konservative Kulturrevolution an die Verbraucher zu bringen. Damit leistet Alt einer längst überfälligen Agrarwende einen großen Dienst, wofür ihm Dankbarkeit gebührt.

Franz Alt: Agrarwende jetzt. Gesunde Lebensmittel für alle, München: Goldmann Verlag, München 2001, 187 Seiten, 8 Euro.


 
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