© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002

 
CD: Klassik
Klangbilder
Walter Thomas Heyn

Günter Wand, der bedeutende Dirigent und verantwortungsvolle Sachwalter der alten und neuen Sinfonik, wurde im Januar 90 Jahre alt. Der 1912 in Elberfeld geborene Kaufmannssohn gehört ebenso zur Reihe der berühmten alten Männer des Taktstockes wie Solti, Karajan und Celibidache. Zahlreiche Wiederveröffentlichungen und Neuaufnahmen hat er sich und uns Hörern auf den Geburtstagstisch gelegt. Insbesondere die Gesamt-Aufnahmen, die ab Mitte der siebziger Jahre mit dem Kölner Rundfunksinfonie-Orchester entstanden sind, erweisen sich als besonders gelungene Belege sowohl für die Prägnanz des Klanges als auch für die ursprüngliche Freude am Musizieren. Beispielhaft sei hier auf die Bruckner-Edition und die Schubert-Einspielungen hingewiesen. Aber auch die Studioproduktionen mit dem NDR-Sinfonieorchester, dessen Ehrendirigent auf Lebenszeit Günter Wand ist, bestechen durch die Brillanz Ihrer Klangqualität und editorische Sorgfalt. Die mittlerweile legendären Beethoven- und Brahms-Zyklen werden selbst anspruchsvollste Hörer zufrieden stellen.

Einige besondere Leckerbissen sind Beethovens „Sinfonien Nr. 4 (op.60)“, Mozarts „Posthorn- Serenade D-Dur KV 320“ (NDR-Sinfonieorchester) und Bruckners „Sinfonie Nr. 8 c-Moll“ (Berliner Sinfoniker). Beide CDs wurden im Jahre 2001 live aufgenommen. Für Kenner und Liebhaber empfohlen sei „The Essential Recordings“. Diese zehn CDs enthalten Werke von Beethoven, Brahms, Bruckner, Mozart, Schubert, Schumann, Strawinsky und Tschaikowski, eingespielt mit einigen der besten Orchester der Welt. Alle CDs sind erhältlich bei RCA/BMG.

„Die Musik wird gebraucht“, schrieb der Berliner Komponist Kurt Schwaen in einer seiner zahllosen Schriften. Das ist kühn gedacht für einen mittlerweile 92jährigen Künstler, der in seiner Kindheit und Jugend unter drei Kaisern aufwuchs und auch danach alle Höhen und Tiefen des vergangenen Jahrhunderts miterlebt hat. Selbst der tiefe Einschnitt der Nachwendezeit konnte von Schwaen mit schöpferischer Rastlosigkeit aufgefangen und positiv verarbeitet werden. Bei ihm liest sich das so: „40 Jahre lang hatte ich mitgesungen und mitgedacht: ,Um uns selber müssen wir uns selber kümmern‘. Jetzt mußte ich bescheidener bleiben: Um mich selbst muß ich mich nun selber kümmern.“ Ein achtzigjähriger Mann fängt in einem vollkommen veränderten gesellschaftlichen Umfeld neu an, und zwar fast von vorn. Er arbeitet einfach weiter mit alten und auch mit neuen Partnern. Der vielfach ausgezeichnete Pianist Falko Steinbach, der derzeit an der University of New Mexico als ständiger Professor für Klavier lehrt, ist so ein „neuer“ Partner. Seit vielen Jahren setzt sich der Künstler in seinen Konzerten für die Werke Schwaens ein und auch die nunmehr dritte CD mit Klavierwerken Schwaens ist ihm zu danken. In Gegenwart des Autors und in reiner Röhrentechnik unter Verwendung der Bürki-Kugel aufgenommen, entsteht ein Klangbild von eindrucksvoller Transparenz (Miniaturen, Späte Klavierstücke von Kurt Schwaen, Dittrich-Verlag, Köln, Tel. 02 21 / 97 62 91).

„Es wird wenig Leute geben, welche die lustige und wahrhaft edle Musik Kurt Schwaens nicht schön finden. Aber das Einstudieren dieser Musik wird vielleicht nicht ganz leicht sein. Von solchen Schwierigkeiten darf man sich nicht abhalten lassen.“ Das schrieb Bertolt Brecht über Schwaen. Und Falko Steinbach hat sich zum Glück an diesen Ratschlag gehalten. Insbesondere das „Nocturne lugubre“, eines der besten Werke von Schwaen überhaupt, die „17 Intermezzi“ und die „Lyrischen Stücke“, die scheinbar allesamt leicht zu spielen sind, erfahren durch ihn eine eindringlich-knappe, überaus bündige Interpretation.


 
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