© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002

 
Brothers Keepers: „Ich sage K, sage Z, sage Nazis rein!“ und andere Argumente
Die ganz große Klappe
Ellen Kositza

Laut gegen rechte Gewalt“ nannte sich die Tournee mehrerer nur zum Teil einschlägiger deutscher Rockbands wie Emil Bulls, Sportfreunde Stiller, 4Lyn und Such A Surge, die vergangene Woche durch die Republik zog. In Zusammenarbeit mit der seit Sommer 2000 laufenden Aktion „Mut gegen rechte Gewalt“ des Magazins Stern soll der Gewinn verschiedenen Anti-Rechts-Initiativen gespendet werden. Die Initiatoren, zu denen Udo Lindenberg gehört, zählen 138 durch „rechte“ Gewalt zu Tode gekommene Opfer und sich selbst zu den wenigen, die sich dem „rechten Mob mutig in den Weg stellen“: musikalisch, was ja bekanntlich identitätsstiftend wirkt. Treten Rockbands, die - anders als Lindenberg selbst - für abgeklärte Unaufgeregtheit stehen, zwar grundsätzlich politisch aussagefrei, aber doch unter bekennerischem „Anti-rechts“-Logo auf, dann wird sich die gewünschte Botschaft schon im dafür vorgesehenen Hirnwinkel des Fans ablagern und nachher via Reflex abgerufen werden können. Entsprechend der wohlwollende taz-Kommentar zur Tournee: „Popkultur ist zu schade, um sie den Neonazis zu überlassen.“ Da hatte man selbst wohl glatt verpaßt, daß die kulturelle Hegemonie je nach rechts zu kippen drohte...

Lindenberg also hatte mit seiner CD „Pimmelkopp“ beherzt den Anfang zum 127. Aufstand der Anständigen gewagt, jetzt rücken die Jungen nach: Und schleimend schleicht die Kolonne hintendrein, geht es doch um ein „menschliches Deutschland“. Ausgerechnet die Bekleidungsfirmen „Lonsdale“ und „Fred Perry“, die die teure Szenekleidung für Skinheads liefern („wir wären unseren rechten Kundenkreis lieber heute als morgen los“), unterstützten das Pädagogik-Spektakel. Ein selbstverschuldeter Tritt in die Weichteile könnte das gerade für Lonsdale bedeuten (unter offen getragenen Bomberjacken ist aus dem Markenschriftzug die verwegene Buchstabenkombination „nsda“ sichtbar), die im Gegensatz zur Golfer-Edelmarke Perry ihre Käufer zu einem Großteil aus der Szene rekrutiert. Obendrein planen die rechtschaffenen ehemaligen Box-Ausrüster, Einzelhändler mit „rechter Produktpalette“ nicht mehr zu beliefern.

Weil der Mörder-Mob aus dem Osten (also der fünf Bundesländer umfassenden „befreiten Zone“) kommt, so die Rechnung der Initiatoren, die nicht minder gefährlichen „Vordenker“ jedoch aus dem Westen, traten die tourenden Rocker der „Zivilcourage“ bundesweit von Neumünster bis Rostock auf. Jörn Menge vom „Büro Lärm“, das die Auftritte mitorganisiert, hielt die gewählten Auftrittsorte deshalb für eine bewußte Provokation. Jenes Büro Lärm, neudeutsch tätig als „Event-Management“, sah letztjährig auch im Hip Hop die einzige Gegenkultur in den als „braun“ durchsetzt empfundenen Landstrichen Mitteldeutschlands und hat damals schon mit einer Tournee durch Kleinstädte wie Wurzen, Dessau und Bad Salzungen (meta-)politische Entwicklungshilfe geleistet. Aus gleichem Hause stammt die passende CD „Mut“ - mit fünf Mark Spende pro Scheibe zugunsten der Stern-Aktion - auf der Prominente wie Ulla Kock am Brink und Rudi Völler ihre Lieblingslieder zum Thema Mut und Zivilcourage vorstellen: Gerhard Schröder präsentierte hier „In the Ghetto“... Bislang sind von diesen Initiativen über zwei Millionen Mark zugunsten verschiedener Anti-Rechts-Initiativen zusammen gekommen, auch weil „die fünf Kinder der Familie Totzki aus Beelitz auf einen Teil ihres Taschengeldes verzichten und monatlich 50 Mark überweisen.“

Vermißt wurden bei „Laut gegen rechte Gewalt“ dagegen die insgesamt über 50 Mitglieder zählende schwarzdeutsche Band Brothers Keepers, die durch Titel wie „Fickpisse“ seit geraumer Zeit von sich reden macht. Dabei sind gerade sie doch die eigentlichen Meister im Lärmen gegen „rechts“ und was dafür gehalten wird: „Wir werden gar nicht erst reden - nur schlagen und treten, und das einzige, was sie sehen, sind Fäuste, die treffen, wie schwarze Raketen“, so eine Textzeile aus dem „Zivilcourage“ betitelten Lied des Albums „Lightkultur“.

Xavier Naidoo ist so etwas wie der Megastar der ansonsten zum Teil unbekannten „Afrodeutschen“, wie sie („natürlich fühlen wir uns als Deutsche“) sich nennen. Naidoo, langjähriger Charts-Stürmer, bekannt geworden durch seinen Drogenkonsum und seine kitschig-poppigen Jesus-Texte, träumt von einem alttestamentarischen Verfahren gegen „rechts“: „Was wir reichen sind geballte Fäuste und keine Hände - euer Niedergang für immer. Und was wir hören wollen, ist euer Weinen und euer Gewimmer.“ Ein anderer stammelt, will heißen, rappt: „Wir müssen aufhören zu labern und auf jeden Fall strategisch verfahren(...): Wörter sind wie der Wind und laut sprechen die Taten, wir werden nicht warten, graben Löcher mit Spaten...“ Und: „Ich sage K, sage Z, sage Nazis rein, ich will nicht labern, denn ich kenn´ mein Vaterland (...), ich fühle mich eingeengt und will statt Prominenz und statt großer Fans: Nazis, die wie Poster hängen.“ Von blutiger Rache schwärmt ebenfalls „Torch“, schwarze bzw. „coloured“ Speerspitze des deutschsprachigen Rap, seines Zeichens „Bürger, der Angst hat vor seinem Volk (!)“. Überhaupt ist das „Vaterland“ ein gerngewähltes Symbol, ein „anderes Deutschland“ also, nur freilich mit Austausch der ungeliebten deutschstämmigen Bevölkerung - ab nach Afrika, so der Vorschlag. In englischen Refrains soll dann eine Stimmung à la Los Angeles 1992 suggeriert werden, ein prügelnder weißer Mob, heulende Sirenen, „weitere Blutflecken auf diesem öden Land“ et cetera. Die Netzseite ( www.brotherskeepers.de ) der düsteren Botschafter des Hasses wies zeitweise 155.000 Zugriffe pro Tag auf.

Populär und zu einem Dauerbrenner auf MTV und Viva ist die agressive Bande - längst ein Medienliebling - durch ihren Anklage-Hit „Adriano“ geworden, die dem - wesentlich älteren „Mitbruder“ Alberto Adriano gewidmet ist, der vermutlich als Lebender nicht eben zum engeren Freundeskreis der selbsternannten Kombattanten gezählt hätte und der vor zwei Jahren durch „die Fascho-Schweine“ zu Tode geprügelt wurde. Als Nazis faßt die Combo, die gleichzeitig als Verein fungiert, freilich nicht nur die gewaltbereite Asozialenszene, auch hier finden sich die ominösen Vordenker, benannt als Jura- und BWL-Studenten, im Visier. Auch die dunklen Gestalten der Brothers Keepers wollen demnächst mit ihrer Vergeltungsbotschaft durch Mitteldeutschland touren, als mutmaßlichen Schirmherrn konnte man Gregor Gysi gewinnen.


 
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