© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
Rot-grüne Entwarnung
Ausländerbericht: Die Zuwanderung findet über den Kreißsaal statt
Ronald Gläser

Das kürzlich veröffentlichte Gutachten des Bevölkerungsexperten Herwig Birg lieferte Zündstoff für die Einwanderungsdebatte. Der Bielefelder Professor hatte ein Ende des Zuzugs oder gar die Repatriierung von Teilen der Ausländer in Deutschland nahegelegt. Andernfalls sei das Überleben des deutschen Volkes gefährdet. Die Bundesregierung teilt derlei Einschätzungen nicht und konterte mit einem eigenen Bericht.

Der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Marieluise Beck, zufolge können verängstigte Deutsche geradezu aufatmen. Die Zahl der Ausländer sinke sogar, suggeriert ihre Zahlensammlung. Für die Grüne sind die meisten Ausländer ohnehin bereits Einheimische. Der hohe Ausländeranteil von fast neun Prozent sei lediglich der „restriktiven“ Einbürgerungspolitik der Vergangenheit geschuldet.

Das neue Staatsbürgerschaftsrecht habe die Statistik verbessert, lautete der offizielle Kommentar. Selbst erklärte Multikulturalisten bewerten einen hohen Fremdenanteil also als etwas Negatives. Inkonsequenterweise kritisierte die Beauftragte die Forderung nach einem Einwanderungsstopp. Wer dies verlange, der ignoriere die künftige Entwicklung. Die verheerende Kinderlosigkeit der Deutschen wird als unabwendbar hingenommen. Außerdem sorgten Zuwanderer für neue Arbeitsplätze - auch für Deutsche. Das Aussterben der Deutschen sei nur Panikmache. In der Vergangenheit, räumt die Ex-Realschullehrerin Beck ein, habe die Zuwanderung über den Kreißsaal stattgefunden. Für die Gegenwart suggerieren ihre Statistiken das Gegenteil. Von 1962 bis 1974 ist der Anteil an Ausländerkindern unter allen hierzulande Geborenen um 900 Prozent gestiegen. Seitdem ist er fast um die Hälfte gefallen.

Unter den 766.971 Geburten im Jahr 2000 betrug der Ausländeranteil lediglich sieben Prozent. Im Vorjahr hatte er noch bei 12,4 Prozent gelegen. Die doppelte Staatsbürgerschaft macht es möglich! Auch die Masseneinbürgerung verfälscht die Statistiken und das wahre Ausmaß der Überfremdung. Offiziell betrachtet die Bundesregierung 7,3 Millionen Menschen in Deutschland als Ausländer. 1,8 Millionen stammen aus EU-Staaten, zwei Millionen aus der Türkei. Mehr als eine Million Menschen haben ihre Wurzeln in Ex-Jugoslawien. Griechen und Polen stellen Anteilmäßig mit über 300.000 Bürgern noch immer mehr, als Ausländer vom asiatischen oder afrikanischen Kontinent.

Die Altersstruktur ist unterschiedlich und der Historie geschuldet. Den Gastarbeitern aus den Mittelmeerstaaten sind neue, andere Zuwanderer gefolgt. Der Anteil jener Einwanderer, die das Rentenalter erreicht haben, ist daher unter den EU-Bürgern hoch, bei Spaniern etwa 12,4 Prozent. Afrikaner und Asiaten sind dagegen zu fast 98 Prozent jünger als 65 Jahre.

Die ehemaligen Gastarbeiter sind zwar am besten in die deutsche Gesellschaft integriert, andererseits zieht es etliche im Alter zurück in die Heimat. An ihrer Stelle wandern Afrikaner, Araber, Türken und Menschen aus den Balkanstaaten ein - die meisten Immigranten sind Moslems. Aspekte wie die Religionszugehörigkeit gehören allerdings nicht zu den Dingen, denen die Ausländerbeauftragte Beachtung schenkt. Die amtlichen Fehlinterpretationen basieren auf der Einbürgerung, deren Vereinfachung sich die Grünenpolitikerin Beck rühmt. Im Jahr 2000 wurde 196.961 Menschen der deutsche Paß übergeben. Darunter befanden sich 82.861 Türken und 14.410 Iraner - letztere haben jetzt zu 95 Prozent sogar den Doppelpaß. Unter den größten zehn Herkunftsländern der Neu-Deutschen ist nicht eines, das christlich geprägt wäre.

Der Anteil der Eingebürgerten an der ausländischen Bevölkerung ist seit 1994 auf das Dreifache gestiegen. Die Gesamtzahl pendelt Jahr für Jahr zwischen 250.000 und gut 300.000. Dabei ist zu berücksichtigen, daß deutsche Aussiedler einen immer kleineren Teil aller Einbürgerungen ausmachen, nur der Anteil russischer Juden nimmt weiter zu. Ohne die Aussiedler sind allein in den letzten acht Jahren 730.000 Personen mit allen unseren Rechten ausgestattet worden. Zählt man diesen Personenkreis zu den Ausländern hinzu, so beträgt deren Zahl mehr als acht Millionen.

Auch die Asylantenzahl wird bewußt verzerrt. Seit 1999 werden zu diesem Personenkreis Menschen mit Aufenthaltserlaubnis (statt Duldung) einfach nicht mehr hinzugerechnet. Die Zahl der Asylbewerber wurde durch die Einbürgerungen reduziert, gibt Beck unumwunden zu. All diese Zahlenspiele ergeben ein Bild, das fast schon wünschenswert erscheint. Berlin habe einen „Ausländeranteil“ von gerade 12,8 Prozent, Hamburg von 15,4 Prozent, so der Bericht. Das westdeutsche Städte nur dank Einbürgerung noch nicht die 30-Prozent-Marke überschreiten, bleibt unerwähnt. Aber „Spitzenwerte“ seien kein Indikator für soziale Probleme.

Nur die mangelnde Qualifikation sei alarmierend. So ist die Ungelerntenquote unter jungen Türken viermal höher als bei Deutschen. In Gymnasien und Universitäten seien Ausländer unterrepräsentiert, ebenso im Öffentlichen Dienst. Vermutlich werden nun nach US-Muster Quoten an Schulen, Unis und im Öffentlichen Dienst gefordert. Dies würde auch die überproportionale Arbeitslosigkeit unter Ausländern verringern helfen.


 
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