© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Pressburger Ungehorsam
Carl Gustaf Ströhm

Die Slowakei mit ihren 5,4 Millionen Einwohnern liegt mitten in Europa - und doch ist dieses Land auch fast ein Jahrzehnt nach seiner Unabhängigkeitserklärung weitgehend unbekannt geblieben. Wien ist nur 45 km von der slowakischen Hauptstadt entfernt - aber sogar die österreichischen Nachbarn wissen allenfalls, daß es in Preßburg eine gute Oper gibt und man preiswert essen kann.

Politisch hat in den letzten Jahren nur ein Mann die Slowakei ins Gerede gebracht: Vladimír Meciar, Ex-Ministerpräsident mit seiner „Bewegung für eine demokratische Slowakei“. Der bullige Ex-Boxer - der äußerlich ein wenig Franz Josef Strauß ähnelt - wurde bald zum Inbegriff von „Diktatur“, Manipulation, politischer Kungelei und fragwürdiger Geheimdienst-Aktivitäten. Ihm war es zuzuschreiben, daß die Slowakei - anders als die zuvor verbündete Tschechei - nicht in der ersten Reihe der EU- und Nato-Beitrittskandidaten stand - bis im Oktober 1998 eine breite Koalition Meciar stürzte und einer neuen „pro-europäischen“ Regierung den Weg ebnete. Nun ist diese heterogene Koalition von Ministerpräsident Mikulas Dzurinda am Ende - und nach den Wahlen im kommenden Herbst wird wohl der 59jährige Meciar als Sieger zurückkehren.

Der Westen - EU ebenso wie Nato - ist sich unschlüssig, wie er reagieren soll. Manche westliche Botschafter schwärmen schon aus, um die Slowaken zu warnen: Wird Meciar gewählt, könnte es sein, daß ihr Land nochmals auf die „Warteliste“ gesetzt wird und die Westintegration (die inzwischen auch Meciar selber befürwortet) wieder auf die lange Bank geschoben wird. Viele Slowaken betrachten dieses undiplomatische Verhalten allerdings als grobe Einmischung in innere Angelegenheiten.

Schon bei der Abwahl Meciars im Jahre 1998 war massive auswärtige Einmischung im Spiel, die mit beträchtlichen finanziellen Mitteln und über dementsprechend präparierte Medien den elf Anti-Meciar-Parteien den Rücken stärkte. Inzwischen hat die Slowakei einen starken Rückgang des Lebensstandards erlebt, 20 Prozent sind arbeitslos. Diese Entwicklung wird besonders den Mitte-Linkskräften angelastet. Neben der Meciar-Bewegung (HZDS) ist es der aus der linken SDL - also bei den Postkommunisten - ausgeschiedene Robert Fico, der im Jahr 2000 die Partei SMER (Richtung) gründete. Diese neue Gruppierung setzt interessante Akzente, die sich sowohl gegen den Wende-Kommunismus wie auch gegen den Neo-Liberalismus richten: Stärkung des Staates und Wahrung nationaler Interessen bei den EU-Beitrittsverhandlungen. SMER lehnt im „Kampf gegen das Verbrechen“ auch die „kritiklose Übernahme der Institute des Strafrechts aus Ländern mit vollkommen anderen Voraussetzungen“ ab.

Die Slowakei ist nach fast einem halben Jahrhundert Kommunismus immer noch ein katholisches - auf dem Lande auch ein konservatives - Land. 84 Prozent der Einwohner sind immer noch Christen. Der ruppige Meciar spricht - besonders nach der Enttäuschung mit der Elferkoalition - das bäuerlich und bodenständig geprägte Wesen und das Nationalbewußtsein vieler Slowaken an. Sie sehen die ungelösten Probleme: Arbeitslosigkeit, Korruption, Armut, Kriminalität, politische Apathie, das wachsende (und wohl unlösbare) „Roma-Problem“.

Der Westen sollte nicht mit der Laterne nach ideal-westlichen Demokraten in der Slowakei suchen, sondern diese Nation so akzeptieren, wie sie ist. Dann ließe sich vieles gemeinsam mit den Slowaken lösen. Vielleicht sogar mit einem Mann namens Meciar.


 
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