© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
Der Wille zum Kampf ist erlahmt
Warum die Machtteilhabe der PDS in Berlin auf keinen nennenswerten Widerstand stößt
Matthias Bath

Fünf Wochen nach der Senatsbildung in Berlin mag man sich fragen, warum die Regierungsbeteiligung der PDS in der Stadt so wenig Widerstand hervorruft. Gegenbewegungen etwa aus dem Springer-Verlag, dem Medienkomplex um den Radiosender 100,6 oder aus den bürgerlichen Parteien reißen niemanden mit. Auch die Generation der politisch-gesellschaftlich vielfach noch aktiven Gründungsstudenten der Freien Universität, die vor 50 Jahren an der Spitze des Kampfes um Freiheit und Selbstbehauptung des freien Berlin stand, scheint sich mehr an der beabsichtigten Schließung des Universitätsklinikums im früheren Westteil der Stadt als an der Regierungsbeteiligung der PDS zu stoßen.

Das vereinte Berlin ist nicht mehr mit dem alten West-Berlin, das ohnehin stets nur einen Teil der Stadt darstellte, und dessen damaliger Selbstbehauptung gleichzusetzen. Auch diese Selbstbehauptung war im übrigen nicht nur den (West)-Berlinern zuzurechnen, sondern eine Facette des weltweiten Ost-West-Konflikts, der in Berlin einen seiner Brennpunkte fand. Das westliche Berlin hätte sich ohne die Unterstützung der Westmächte gegen den sowjetischen Machtanspruch schwerlich behaupten können. Der Erfolg des Berliner Freiheitskampfes ab 1948 beruhte damit wesentlich auf dem Schulterschluß von westlich orientierten Deutschen und Westalliierten. Dieser Schulterschluß verlor jedoch in dem Maße zunehmend an Bedeutung wie unterschiedliche Interessen zwischen Deutschen und Westmächten erkennbar wurden. Bereits am 17. Juni 1953 und stärker noch in der zweiten Berlin-Krise der Jahre 1958-61 zeigte sich ein deutliches Auseinanderklaffen dieser Interessen. Während es im deutschen Interesse lag, die staatliche Teilung Deutschlands zu überwinden, beschränkten sich die Interessen der Westmächte auf die bloße Behauptung 1945 erlangter Besitzpositionen unter bewußter Preisgabe der unter kommunistischer Herrschaft lebenden Deutschen. Dieser Interessenkonflikt wurde später nur vordergründig durch die „Entspannungspolitik“ gelöst, die, vom Westen gewollt, die Teilung Deutschlands und Berlins auf Dauer festschreiben sollte.

Vor diesem Hintergrund war der Geist antikommunistischen Freiheitswillens auch im Westen Berlins einem zunehmenden Erosionsprozeß ausgesetzt. Dabei erschienen die Anhänger einer starken Westbindung im Laufe der Zeit weniger als Vertreter deutscher als vielmehr rein westlicher Interessen, wobei ein freiheitlich-antikommunistischer Reflex durchaus virulent blieb.

Heute ist dies alles vorbei. Die Ereignisse der Jahre 1989 bis 1991 haben zum Zusammenbruch des Sowjetblocks geführt. Es gibt keinen Ost-West-Konflikt mehr, der einen erneuten Freiheitskampf der West-Berliner zeitigen könnte. Die Geschichte ist weitergegangen und hat neue Fragestellungen wie Fronten aufgeworfen. Stellte während der Zeit des Ost-West-Konflikts nach 1945 jedes Abweichen aus einem der beiden feindlichen Lager objektiv eine Annäherung an die Position des jeweiligen Gegners dar, so ermöglichte das Ende dieses Konflikts die Begründung neuer Lager und Positionen. So haben auch in Deutschland nationale Bestrebungen im letzten Jahrzehnt insbesondere unter jungen Menschen an Bedeutung gewonnen. Die früheren Anhänger des sowjetischen Herrschaftsmodells haben ihren Zusammenhalt überwiegend in der PDS bewahrt, die aber nur sehr modifiziert kommunistisches Gedankengut vertritt. Besonders gesinnungstreue Kommunisten sind in linksextremen Kleingruppen aktiv. Gar nicht so wenige vormalige Kommunisten haben sich auch zu den zumindest gegenwärtig siegreichen Vorstellungen westlicher Prägung bekannt oder auch nationalen Bestrebungen angeschlossen.

Weitaus wichtiger aber noch erscheinen die neuen Fragestellungen, die den Ost-West-Konflikt abgelöst haben und sich im Kern auf die Frage zuspitzen lassen, ob sich der neue westliche Universalismus US-amerikanischer Prägung gegen die überlieferte Multipolarität der Welt durchsetzen kann oder nicht. Diese Frage findet ihren aktuellen Ausdruck in den Bestrebungen der USA, unter dem Vorwand der Bekämpfung des Terrorismus weltweit unbotmäßige Länder durch militärische Eroberung politisch gleichzuschalten und damit einem neuen Kolonialismus westlicher Wert- und Machtansprüche zu unterwerfen. Afghanistan dürfte dabei nur den Anfang gebildet haben.

Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung präsentiert sich die PDS aber keineswegs antiwestlich und damit als Gegner der USA. Die gleichwohl in der PDS vorhandenen antiwestlichen Einstellungen äußern sich allenfalls in verhaltener Kritik bzw. einem - verglichen mit anderen politischen Parteien - geringerem Grad an Zustimmung zu den Maßnahmen der USA. Die PDS basiert ebenfalls auf einem globalen, univer-salistischen ideologischen Ansatz. Der Gegensatz zum Universalismus der USA besteht lediglich in der gesellschaftlichen Ausrichtung: sozial(istisch) global oder liberal(istisch) global. Angesichts dessen besteht seitens der USA aber kein Anlaß, sich mit der PDS und deren möglicher Regierungsbeteiligung in Deutschland auseinanderzusetzen. Im globalistischen Ansatz ist man sich einig, und der ideologische Unterschied bleibt in Ermangelung einer sozialistischen Supermacht bedeutungslos. Eher dürften sich die USA an den antiglobalistischen Positionen neuer nationaler und sozialer Bewegungen stören, an denen die PDS nur noch einen geringen Anteil hat.

Aus den genannten Gründen wird es auch keinen neuen Freiheitskampf der Berliner gegen die Machtbeteiligung der Postkommunisten in der Stadt geben.

Was bleibt, ist das unbehagliche Gefühl, daß diejenigen, die als Nomenklaturkader der DDR-Diktatur ohne die Ereignisse des Herbstes 1989, an denen sie selbst aber keinen Anteil hatten, heute führende Positionen in einer weiterbestehenden DDR einnehmen würden, nunmehr Regierungsverantwortung für ganz Berlin und vielleicht bald ganz Deutschland übernehmen.

 

Fototext: Protest: Mitarbeiter der Freien Universität Berlin demonstrieren am 25. Januar 2002 vor dem Berliner Kanzleramt für den Erhalt des von der Schließung bedrohten Universitätsklinikums Benjamin Franklin


 
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