© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
Zeitschriftenkritik: Schwarzer Faden
Theorie von unten
Werner Olles

Die vierteljährlich herausgegebene und mittlerweile im 21. Jahrgang erscheinende Zeitschrift Schwarzer Faden (SF) gehört zu den wichtigsten Blättern und Periodika des libertären, anarchistischen und anarcho-syndikalistischen Spektrums. Mit dem neuen Untertitel „Vierteljahreszeitschrift für Lust und Freiheit“ könnte der Leser zwar alles Mögliche verbinden, aber es ist doch recht deftige politische Kost, die einem hier auf fast siebzig Seiten geboten wird.

Der SF versucht - laut Impressum - „eine Mischung aus aktuellen politischen Ereignissen, Internationalismus, Aktualisierung libertärer Theorie, Aufarbeitung freiheitlicher Geschichte und einer Kultur- und Medienarbeit von unten“. Nun hat ja der Anarchismus wie keine andere Ideologie seit jeher die Verbindung von kultureller Avantgarde und politischer Revolution verkörpert. Ohne den historischen und dialektischen Materialismus (DIAMAT) zur Arbeiterbewegung gestoßen, hielten Libertäre und Anarchisten - was beileibe nicht das gleiche ist - immer schon gleichermaßen Abstand zu einer „verrotteten Bourgeoisie“ und einem „langweiligen Proletariat“. Den Marxismus in seiner bolschewistischen Ausformung bekämpfte man ebenso entschieden wie den Nationalsozialismus und den Faschismus.

Der alten Linken, die immer nur den gleichen Reflexen folgt, nicht aber innovativen Ideen, war solches Gedankengut immer suspekt, oft sogar ein wenig peinlich. Libertäre Querdenker wie Rudolf Rocker, Erich Mühsam oder Noam Chomsky, die der permanenten Selbstvergewisserung, daß der Geist immer links - und nur links - stehe, nicht bedurften und bedürfen, und deren freiheitlich-sozialistische Prinzipien der stalinistisch geprägten Linken bis heute fremd geblieben sind, haben die Feinde der offenen Gesellschaft schon immer bei den Sozialutopisten ausgemacht. In diese Fußstapfen tritt der SF, wenn er in seiner jüngsten Ausgabe über „die Globalisierung, die WTO, McDonald’s und anderen Käse“ die perfekte Mobilität des heimat- und kulturlosen Kapitals beschreibt. Am Beispiel der französischen Schafbauern und deren Proteste gegen die amerikanischen Strafzölle, die die USA neben anderen europäischen Spezialitäten auch dem örtlichen Roquefort auferlegt hatten, schildert Frieder Dittmar, wie die Globalisierung nicht nur als Entgrenzung, sondern auch als Entstaatlichung verstanden wird. Daß auch Libertäre durchaus nichts gegen staatliche Autorität haben, wenn diese den globalisierten Kapitalismus zu zivilisieren versucht, ist zwar ein Novum, gibt einem aber auch zu denken.

Wie deutsche Politiker, die sich angeblich immer noch als „Linke“ verstehen, die Globalisierung bekämpfen wollen, macht der SF mit einem aus der Frankfurter Rundschau zitierten Interview mit Umweltminister Jürgen Trittin deutlich: „Mit der Parole ’Eßt mehr französischen Schafskäse statt McDonald’s-Burger‘ kann man die Auseinandersetzung um die Globaliserung nur verlieren.“ Deutlicher hat sich noch selten jemand als Schwätzer und Papiertiger entlarvt.

Schwarzer Faden. Postfach 1159, 71117 Grafenau. Einzelpreis: 4 Euro, Jahresabo: 15 Euro


 
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