© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002

 
Rollenwechsel
von Heinrich Lummer

Das Ziel war klar formuliert: Berlin soll nach einem „beispiellosen finanziellen Desaster auf die eigenen Beine“ gestellt werden. So der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit in seiner Regierungserklärung. An der Herstellung des finanziellen Desasters war die SPD von 1991 an zehn Jahre lang nachhaltig beteiligt. Zum finanziellen Desaster der DDR steuerte die SED/PDS Jahrzehnte bei, bis man die DDR in den Sand gesetzt hatte. Warum also soll die Sanierung des Berliner Haushalts mit einem rot-roten Senat ausgewiesener Schuldenmacher besser möglich sein als mit einem schwarz-roten? Der Wechsel war für Wowereit wichtiger, als die Sanierung durch Sparen.

Jetzt regiert der Mangel den Regierenden. 150 Seiten Koalitionsvertrag und 74 Minuten Regierungserklärung erläutern den Offenbarungseid. Die Sanierung sollen ein Mentalitätswechsel und der Bund bringen. Doch zu dieser Erkenntnis bedurfte es keiner Neuwahlen. Offenbar bestätigt es sich wieder einmal in der Politik, wie wesentlich die Meinung von der Rolle abhängt, die man spielt. Auf einmal mutiert Wowereit zum brutalen Sparkommissar. Dazu bedurfte es des Rollenwechsels. Und nachdem dieser Rollenwechsel vollzogen ist, fordert man flugs den Mentalitätswechsel in der Gesellschaft, als Voraussetzung für die Beseitigung des finanziellen Desasters. Weg mit dem Subventionsdenken! In der Tat bedarf es dieses Mentalitätswechsels. Aber noch hat niemand je davon gehört, daß eine rot-rote Regierung schwarze Zahlen produzierte. Dies setzte einen Mentalitätswechsel voraus, der einem Identitätsverlust gleichkäme.


 
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