© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002

 
PRO&CONTRA
Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe?
Christoph Kannengießer / Matthias Dittmann

Beide Gruppen von Hilfeempfängern verbindet häufig ein und dasselbe Problem: Sie sind langzeitarbeitslos. Gleichwohl obliegt die Sicherung ihres Lebensunterhaltes und die Integration in den ersten Arbeitsmarkt zwei unterschiedlichen Institutionen und folglich unterschiedlichen rechtlichen Regelungen. Die Konsequenz ist nicht nur ein Übermaß an Bürokratie. Das Fördern und Fordern wird auch durch Effizienzverluste und Fehlsteuerungen unnötig erschwert. Die bisherige Zersplitterung der Verantwortung für unterschiedliche Gruppen von Langzeitarbeitslosen eröffnet auch Möglichkeiten, den „Schwarzen Peter“ systematisch zwischen Kommunen und Arbeitsämtern zu verschieben. Verlierer sind dabei in erster Linie die Arbeitslosen.

Dabei ist eigentlich klar, daß eine bloße „Verbesserung“ der Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern bei dieser Verantwortungsverwischung nicht der entscheidende Schlüssel zum Erfolg sein kann. Das zentrale Ziel der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe muß vielmehr lauten, diese Reibungsverluste im Interesse der Betroffenen zu überwinden. Die Arbeitslosenhilfe hat sich als lohn- und bedürftigkeitsabhängiges Transfersystem überlebt. Statt dessen brauchen wir eine einheitliche, konsequent auf die Aktivierung und Mobilisierung der Hilfeempfänger ausgerichtete Transferleistung. Überdies müssen für diejenigen, die dazu in der Lage sind, mit eigener Arbeit zumindest einen Teil ihrer Existenzsicherung zu bestreiten, deutlich stärkere Arbeitsanreize geschaffen werden. Der heute bestehende faktische Mindestlohn verbaut vor allem Arbeitnehmern mit geringen Qualifikationen den Weg zurück in den ersten Arbeitsmarkt. Ein echter Kombilohn bietet hingegen die Chance, durch die Abkehr von der reinen Lohnersatz- zur Lohnergänzungsleistung schrittweise in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Diese Reformen müssen jetzt endlich konstruktiv angegangen werden.

 

Christoph Kannengießer ist Geschäftsführer Arbeitsmarkt der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

 

 

Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist erneut in die gesellschaftliche Debatte geraten. Sie ist nichts anderes als die neuerliche Diskussion über faule Arbeitslose und Sozialschmarotzertum und ein Konsolidierungsthema für die Eichelsche Sparpolitik. Fakt ist, und das geht aus dem jüngsten Armutsbericht der Bundesregierung hervor - Armut resultiert in Deutschland nicht mehr nur aus dem Bezug von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, sondern auch aus der Erwerbsarbeit.

Was die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe anbelangt, muß vermutet werden, daß sie wieder zu Lasten der Schwächsten gehen und zu erheblichen und schmerzhaften Belastungen für die Kommunen führen wird. Die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe hat den Kommunen bereits zusätzliche 60.000 Sozialhilfeempfänger gebracht - der Spar- und Steuerkurs der Bundesregierung beschert ihnen weitere Steuerausfälle in Milliardenhöhe. Wer heute vom Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe spricht bedient sich nur als Alibi solcher Argumente wie Entbürokratisierung und Vereinheitlichung der Systeme. Quer Beet durch die meisten Parteien - die PDS ausgenommen - geht es bei allen Vorstellungen und Forderungen nur darum: Alles in einen Topf, umrühren, und einen weiter abgesenkten Satz an Sozialtransfer gewähren. Daß das noch mit Arbeitszwang verbunden sein soll, ist ein erneuter tiefer Griff in die Kiste des Urkapitalismus, ein weiterer Schritt zur Entsolidarisierung und dem Abbau sozialstaatlicher Verpflichtungen. Die Bundesregierung wäre gut beraten, diesen Schritt zu überlegen. Zwar senkt man dann die Arbeitslosenzahl statistisch, aber die Anzahl der Sozialhilfeempfänger wird dramatisch zunehmen. Zu diesen gibt es allerdings keine Wahlversprechen, an denen man gemessen werden könnte - nur eine Alternative: Existenzsichernde Arbeitsplätze und Sozialleistungen für die, die wirklich staatliche Unterstützung brauchen.

 

Matthias Dittmann ist Vorsitzender des Arbeitslosenverbandes Deutschland e.V.


 
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