© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Beschäftigung
Karl Heinzen

Professionalität, die vom Menschen zu abstrahieren weiß, wo sie ihn in Betracht ziehen muß, ist gerade in der Sozialpolitik gefragt. Florian Gerster hat dazu beigetragen, daß sich dieser Stil auch in der Sozialdemokratie durchsetzen konnte. Es ist daher verständlich, daß jene, die sich in Berlin als Wackelkandidaten empfinden, froh sind, ihn nun wenigstens vorübergehend in der Bundesanstalt für Arbeit gut aufgehoben zu wissen.

Die Aufgaben, die sich dort im Wahljahr stellen, dürften ihm keine Probleme bereiten. Zunächst gilt es ganz pragmatisch, die Arbeitslosenstatistik in eine Form zu bringen, die sie vor dem Mißbrauch durch jene schützt, die dem Kanzler den Bruch von Wahlkampfversprechen nachsagen wollen. Sodann steht aber auch schon eine Modernisierung dieser identitätsstiftenden Institution auf der Tagesordnung. Modernisierung heißt: Das die Bundesanstalt bislang leitende Präsidium wird in einen Vorstand umbenannt und wie ein solcher in der freien Wirtschaft bezahlt. Jene ihrer Aufgaben, mit denen sich Geld verdienen läßt, dürfen auch von Privaten angeboten werden. Selbst hinsichtlich weniger gehobener Positionen ist es demnächst für Unternehmen lohnenswert, Jobmakler zu bemühen, da diese dann die in Beschäftigungsverhältnisse vermittelten Arbeitslosen zur Kasse bitten können. Die Stellensuche aus dem Ausland in Deutschland wird erleichtert.

Die Neuausrichtung der Bundesanstalt für Arbeit zeugt von der Voraussicht der Politik, daß ein auf Dauer unlösbares Problem einer neuen Herangehensweise bedarf. Die Zeiten, in denen einem Minister das Herz überging und die Tränen vor laufenden Kameras flossen, sind vorbei. Wer Zuneigung zu den Schwachen der Gesellschaft empfindet, hat es schwer, sich zu jenen sachlichen Lösungen durchzuringen, die allein unser Gemeinwesen zukunftsfähig machen können. Perspektive bietet hingegen eine Politik, die sich nicht scheut, den Menschen, vom Ausnahmefall der Immigranten einmal abgesehen, die Verantwortung für ihren Lebenserfolg selbst zu überlassen. Da allzu viele hier immer noch in einem Grundvertrauen in den Staat befangen sind, wird es bisweilen unumgänglich sein, dieses durch unter Umständen sogar brüsk wirkende Maßnahmen zu erschüttern, um sie aus ihrer Lethargie wachzurütteln.

Drei Effekte zugleich sind auf diese Weise zu erzielen: Zum einen werden die Betroffenen latent ein schlechtes Gewissen und vor allem Dankbarkeit empfinden, wenn sie dennoch Leistungen der Gemeinschaft in Anspruch nehmen. Zum anderen sollten sie begreifen, daß sie einen Ausweg aus ihrer Lage nur durch harte Arbeit an sich selbst finden können und nicht durch die bequeme Hilfe eines unzuständigen Staates. Und schließlich dürfte sich die Minderheit unter ihnen, die diesen Ausweg dann tatsächlich sucht, durch ihr Scheitern zu ein wenig mehr Respekt vor den Erfolgreichen in unserer Gesellschaft durchringen. Mehr vermag Beschäftigungspolitik nicht zu erreichen.


 
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