© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002

 
Erste Etappe im Kampf für den Islam
Bosnien-Herzegowina: Auf den Ruinen der Kaisermoschee von Stolac darf keine katholische Kirche wiederaufgebaut werden
Carl Gustaf Ströhm

In Bosnien-Herzegowina schwelt auch unter dem Protektorat von SFOR, Uno und EU der ungelöste ethnisch-religöse Konflikt weiter. Neuerdings ist es zu heftigen Kontroversen zwischen den katholischen Kroaten und den bosnisch-herzegowinischen Moslems gekommen - und zwar wegen der Moschee der Stadt Stolac. Diese war während des Bosnien-Krieges vollkommen zerstört worden und soll nun an der ursprünglichen Stelle wieder aufgebaut werden, und dies mit Einverständnis und Hilfe der westlichen Staatengemeinschaft.

Dagegen aber hat der streitbare katholische Bischof der Diözese Mostar, Ratko Peric, Einwände erhoben. Die jetzt zerstörte „Kaisermoschee“ von Stolac sei nämlich im 16. Jahrhundert von den türkischen Eroberern auf den Ruinen einer von ihnen zerstörten katholischen Kirche errichtet worden. Er schlage den Moslems daher vor, ihre aufzubauende Moschee um hundert Meter zu verschieben - erstens, damit man die Überreste der christlichen Kirche ausgraben könne und zweitens, weil es nicht gut sei, wenn in Bosnien nur die eine Konfession ihre Gotteshäuser errichte.

Dieser Vorschlag des Bischofs stieß auf heftige Ablehnung nicht nur bei den Moslems, sondern auch bei „liberalen“ Kreisen. Der Bischof, so heißt es, sei „noch schlimmer“ als der verstorbene kroatische Präsident Franjo Tudjman. Er zerstöre damit das Bild Bosniens als Vorbild des Zusammenlebens und der Toleranz. In einer Erwiderung erklärte der Bischof, er halte es für ein vernünftiges Prinzip, daß „über Kirchen keine Moscheen und über Moscheen keine Kirchen errichtet werden“. Was aber das angeblich vorbildliche tolerante Bosnien betreffe, so erinnerte Bischof Peric daran, daß hier in den vergangenen 125 Jahren mehrere blutige internationale Kriege geführt wurden: Von 1875 bis 1878 kämpften hier Österreicher gegen Osmanen, dann brach 1914 der Erste Weltkrieg in Sarajevo aus - auch das dauerte vier Jahre, bis 1918. Auch im Zweiten Weltkrieg kam es zu blutigen Kämpfen. „In diesen Breiten vergehen keine dreißig Jahre, ohne daß sich einige der bosnisch-herzegowinischen Vorbildfunktionen nicht auf solche Weise manifestieren,“ bemerkte Bischof Peric ironisch.

Der Bischof zeichnet ein ziemlich skeptisches Bild, vor allem, was die Situation der Kroaten in Bosnien betrifft, die ja eigentlich eines der drei „konstitutiven“ Völker dieses Staates darstellen, der - nach den Worten des amerikanischen Uno-Repräsentanten Jacques Klein - eigentlich nie ein Staat gewesen ist. Peric erinnert daran, daß es eine Zeit gegeben habe, da das Land zu 90 Prozent von Kroaten besiedelt war - jetzt sei deren Anteil auf neun Prozent gesunken. Die Kroaten stünden an der Grenze zur Entwurzelung.

Bischof Peric kritisiert das Dayton-Abkommen mit seinen „zwei siamesischen Entitäten“, durch die das Land geteilt werde. Er bezeichnet die von der internationalen Gemeinschaft erlassenen Wahlgesetze als „unsinnig“. Was den bewaffneten Konflikt zwischen Moslems und Kroaten anginge, seien Kroaten angeklagt und ungerecht verurteilt worden - aber es habe kein einziges Verfahren gegen Moslems wegen an Kroaten begangenen Verbrechen gegeben.

Auf unbegreifliche Weise hätten die Emissäre und hohe Repräsentanten der Staatengemeinschaft die kroatischen Medien (vor allem das Fernsehen) in Bosnien zerstört und SFOR-Truppen sowie die IPIT (internationale Polizei) hätten die Herzegowina-Bank und andere kroatische Institutionen „überfallen“.

Eine weitere Verschärfung des zwischen Kroaten und Moslems in Bosnien schwelenden Konflikts hat das Auftauchen eines Redetextes verursacht, die der damalige Präsident und Chef der bosnischen Moslems, Alija Izetbegovic, im September 1993 in der bosnischen Stadt Zenica vor den Kadern der Moslem-Partei SDA und vor „Mudschaheddin“-Kämpfern gehalten hat.

Izetbegovic sagte damals, daß ein gemeinsames „serbisch-kroatisch-moslemisches Bosnien“ mit gemeinsamen Präsidium und als gemeinsamer Staat nicht möglich und auch nicht wünschenswert sei - denn es würden die Kroaten ihre „Ustascha“ und die Serben ihre „Tschetniks“ in die Führungsfunktionen delegieren. Die Moslems sollten keinen „rein islamischen Staat“ errichten, meinte Izetbegovic damals, um dann fortzufahren: „Wir sollten das nicht tun - obwohl es via facti so sein wird - einfach, weil es anders nicht geht.“ Bosnien werde ein Land mit 80 Prozent Moslems sein - und es werde deshalb moslemisch sein, „so wie Frankreich französisch ist, obwohl dort drei Millionen Araber leben.“ Aber der französische Präsident und alle Minister seien Franzosen. So sollten im künftigen Bosnien Moslems regieren und die anderen Nationen - Serben und Kroaten - Minderheitenrechte genießen, zumal Izetbegovic davon ausging, daß ihre Zahl nur je zehn Prozent betragen werde. Es gebe „gesunde“ und „ungesunde“ Völker, sagte damals Izetbegovic - die ungesunden Nationen begriffen nicht den Unterschied zwischen Politik und Moral, die „gesunden Völker“ aber hätten solche Skrupel nicht: letztere hätten einen „Maßstab für ihre Interessen“.

Der Westen, so schätzte Izetbegovic 1993 die Lage ein (übrigens nicht falsch, wie sich herausstellte) werde den Moslems in Bosnien wegen seiner „Gewissensbisse“ helfen, weil er keine militärische Hilfe geleistet habe, als die Moslems angegriffen und abgeschlachtet wurden. Aber, so fügte er hinzu, auch die islamische Welt werde helfen. Das gegenwärtige Kräfteverhältnis mache es der islamischen Welt unmöglich, jetzt zu helfen - aber in Zukunft werde sie zu einen wichtigen Faktor auch in diesem Raum werden. In der ersten Etappe des Kampfes sollten die Moslems, die als Volk am meisten gelitten hätten, ihr Territorium sichern. In der zweiten Etappe müßten sie jene Gebiete zurückgewinnen, welche sie an Serbien und Kroatien verloren hätten. Man könne hier so verfahren wie die Deutschen mit der DDR, die den günstigen Moment abgewartet hätten.

Wenn diese Rede das politische Testament des Izetbegovic ist, stehen Bosnien bewegte und womöglich auch blutige Zeiten bevor.


 
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