© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002


Friedhelm auf Reisen: Winterspiele unter der Äquatorsonne
Sonne satt und Scrabble pur
Eva-Maria Storch

Friedhelm sieht schwarz - und dies nicht nur am Strand von La Palma. Er liegt im dunklen Vulkansand und paßt bloß auf, daß die Sonne ihm nicht die Haut vom Körper löst. Kurzurlaub, um dem närrischen Treiben zu entkommen: zu Hause und in Salt Lake City. Aber Fastnacht ist ja bekanntlich überall und zu jederzeit.

So gibt es Haarproben zwecks Nachweis von Drogenkonsum mehr nicht nur bei Olympia. Schill ist clean, dies steht auch ohne Test fest. Und außerdem sind auch Labors nicht infallibel. Gerüchten zufolge soll es sogar MAD- und BND-Tests zur Feststellung von V-Männern geben, wobei es da gar nicht soviel zum Testen gibt. Falls es dennoch öffentlich wird, daß die Mitgliedsliste der NPD mit den Gehaltsempfängern deutscher Geheimdienste identisch ist, dann heißt es demnächst wieder „Raid over Dresden“ und wir werden Scharping, Schily & Co. neben al-Quaida Recken in Käfigen knien sehen. So unterhaltsam kann Wirklichkeit sein.

Bis zum 11. September machte sich Friedhelm über Verschwörungstheorien lustig, doch seither dünken ihm hie und da die Illuminaten am Werk. Selbst in der CDU (welcher er mal Anfang der achtziger Jahre angehörte, als er noch an die sogenannte „geistige Wende“ glaubte). Helmut hat die Republik umgekrempelt und den Euro auf den Weg gebracht. Dafür ist sein Konterfei bis heute auf alle EC-Karten gemogelt. Von wegen Beethoven. Wer genau hinsieht, erkennt den Altkanzler mit aufgesetzter Lockenpracht im Hologramm. Unter Kunstlicht wird schließlich noch ein seitlich blickender Totenkopf sowie eine zum Maurer-Gruß erhobene Hand sichtbar.

Heiß brennt die Äquatorsonne. Sonnencreme mit Schutzfaktor 40 verhindert nicht, daß der Kopf warm wird. Friedhelm springt ins salzige Naß und baut mit seinen Kindern eine Sandburg. Der schwarze Lavastaub ist dazu freilich recht ungeeignet. Als der Eisverkäufer am Strand entlangzieht, zahlt Friedhelm mit heimischer Münze und bekommt ein Geldstück mit dem spanischen König in gleicher Währung zurück. Prägejahr: 1999. Hat Friedhelm da irgendwas verpaßt? Mit zitternden Händen holte er sich vergangenen Dezember das Starterkit und zog gleich am Neujahrstag die wasserunresistenten Scheine aus dem Geldautomaten. Jetzt ist der Spuk überall. Vom Palmenstrand bis in die Taiga zahlt man mit Euro. Für die Pommes an der heimischen Frittenbude muß Friedhelm 30 Prozent mehr blechen. Da wird Inflation konkret. Obst scheint plötzlich unerschwinglich: Ja, auch mit den Genossen bleiben wir ’ne Bananenrepublik. Nur Aldi und die bespielbaren DVDs von Apple sind im Preis gesunken. Der neue iMac bietet überdies einen sagenhaft billigen DVD-Brenner und das G4 Highend-Modell schafft ganze 15 Gigaflops. Ein helles Licht am Horizont bei sonst düsteren Prognosen. Sicherster Indikator: Bettler wolln nicht mehr ’ne Mark, sondern gleich das 1,95583fache. Kein Wunder, daß sich Wim Duisenberg alias Mister Euro von der Party verabschiedet.

In der Finanzwelt wird’s ungemütlich. Dies meint nicht nur Herr Kirch. Dank Bin Ladens interaktiver Öffentlichkeitsarbeit kann jeder jederzeit abgehört werden und hat schwups di wups ein gläsernes Konto. Selbst die Tage der mit Schwarzgeld gebauten Finca auf La Palma sind gezählt. Da hat sich mancher Traum vom ewigen Frühling ausgeträumt. Doch für die Rentner ist es ohnehin ein geistiger Tod bei lebendigem Körper. Paul und Gerda sitzen auf ihrem Balkon mit Blick auf foliengeschirmte Plantagen und spielen Hardcore-Scrabble. Erlaubt sind auch einsilbige Ausrufe, Autokennzeichen und fremdsprachige Artikel. Also darf „KN“, „HH“ oder „le“ angelegt werden. Streit gibt es, ob „mä“ mit oder ohne „h“ geschrieben wird.

Da zieht sich Frauchen zu Minz und Maunz zurück. Falls eines der Schleckermäulchen mal plattgefahren sein sollte, ist auch schon vorgesorgt. Kaum hatte Gerda gehört, daß sich neuerdings Katzen klonen lassen, sammelt sie die Haare ihrer Kätzchen. Immer wieder, bis sie selber in die Kiste steigt, lassen sich ihre Schnurrer reproduzieren. Halb so schlimm, daß dies mit Paul noch nicht klappt. Überdies wäre dieser dann ja erst ein Baby und müßte sie als Jugendlicher beim Sterben begleiten. Nö, das käme nicht in die Tüte.

Dank Satellitenschüssel verfolgt Friedhelm die Winterspiele mit. Schon komisch, daß man an einem Ort sich die Backe abschwitzt, während andere schlottern müssen. Für Friedhelm sind diese Sportler da Masochisten. Er kann es nicht verstehen. Wenn’s hoch kommt, spielt er Tischfußball. Aber zugucken bei ’ner Dose Bier tut er auch - zumindest solange bis die Fastenzeit anfängt, dann gibts nur noch Wasser. Der Mormonenzauber allerdings ärgert ihn. Das müßte nicht sein, zumal Polygamie ohnehin abartig ist.

Nachts geht Friedhelm aus: Nach Santa Cruce de la Palma, um sich den „Herrn der Ringe“ im Kino auf englisch ’reinzuziehen. 13 Oskars soll der Streifen bekommen - es hätten auch noch ein paar mehr sein können. Friedhelm kann sich nicht sattsehen und freut sich auf die Zeit nach der Oskarverleihung, wenn der Film mit einem zehnminütigen Vorspann auf den zweiten Teil zu sehen sein soll. Im Herbst soll es dann auf DVD die Director Cut Version geben mit über 40 Minuten romantischen Szenen vom Auenland, Buchtal und Lothlorien. Bis dahin sammelt Friedhelm fleißig die dreidimensionalen Kellogs-Karten. Als Fastenvorsatz will er seine Nahrungsaufnahme bis Ostern auf Cornflakes umstellen. Trotzdem fehlen ihm noch die Frodo und die Legolas Karte. Vielleicht kann ihm da ein Jott Eff Leser Abhilfe verschaffen.


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