© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/02 08. März 2002

 
Die SPD jubelte zu früh
Bayern: Die Kommunalwahlen waren kein Testlauf für die Bundestagswahl / CSU gestärkt
Jörg Fischer

Einfach fabelhaft. Ich bin überglücklich. Das ist die Erfüllung aller mei-ner Wünsche“, jubelte vergangenen Sonntagabend Oberbürgermeister Christian Ude angesichts seines 64-Prozent-Sieges auf der SPD-Wahlparty in der Münchner Nachtgalerie. „Das ist nicht nur für die Münchner SPD, sondern für die Sozialdemokratie in Deutschland insgesamt ein guter Tag. Wenn das der große Stoiber-Ruck ist, dann kann ich mich damit durchaus anfreunden“, frohlockte der 54jährige Jurist angesichts der blamablen 29-Prozent-Schlappe für CSU-Herausforderer Hans Podiuk.

Als dann auch noch die Erfolge für die SPD-Bürgermeister in anderen großen Städten wie Fürth (52,2 Prozent für Thomas Jung), Nürnberg (49,2 Prozent für Ulrich Maly) oder Augsburg (46,5 Prozent für Paul Wengert) bekannt wurden, kannte der Jubel der bayrischen Genossen keine Grenzen mehr: „Wir haben ein Idol - Christian Ude“, klang es aus Münchner SPD-Kehlen. Für gute Laune sorgte auch die Einlösung des Versprechens der Nachtgalerie-Betreiber, die Ude für jeden Prozentpunkt über 50 Prozent 50 Liter Freibier spendierten. Daß die Wahlbeteiligung in der Landeshaupstadt auch nur knapp über 50 Prozent lag, ging im Bierdunst unter.

Doch am Montagmorgen wurde Udes Übermut gedämpft: „Aus dem Ergebnis können keine Folgerungen für den Ausgang der Bundestagswahl gezogen werden“, erklärten Wahlforscher. Zwar verlor die CSU schon vor den Stichwahlen am 17. März sieben Landrats- oder Oberbürgermeisterposten, doch bayernweit konnte die CSU hingegen zulegen: Laut vorläufigen Ergebnissen erzielte die Union landesweit 44,4 Prozent, 1,3 Prozent mehr als 1996. Die SPD konnte ihre 25,7 Prozent hingegegen nicht verbessern, die Grünen erreichten nur noch 5,4 Prozent (minus 1,5 Prozent). Die Freien Wähler steigerten sich um 0,8 Prozent auf 15,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit etwa 60 Prozent sehr gering - 1996 lag sie noch bei 67,3 Prozent.

Interessant sind auch die Stadtratswahlen, bei denen es in Bayern keine Fünf-Prozent-Hürde gibt: So muß sich in Nürnberg ein möglicher SPD-OB mit einem unübersichtlichen 70köpfigen Stadtrat arrangieren: Die CSU erreichte 43,6 Prozent (32 Sitze), die SPD nur 39,5 Prozent (29 Sitze). Die Grünen sind auf 5,5 Prozent (vier Sitze) abgesackt, PDS und die „Bunte Internationale Liste“ scheiterten. Viertstärkste Kraft mit 2,3 Prozent wurde die „Bürgerinitiative Ausländerstopp“, für die Ralf Ollert, Vorsitzender des NPD-Bezirksverbands Franken, in den Stadtrat einzieht. Republikaner, Freie Wähler, FDP und „Die Guten“ sitzen mit je einem Vertreter im Nürnberger Stadtparlament. Im Augsburger Stadtrat besitzt die CSU nun sogar die absolute Mehrheit. Selbst in den fränkischen SPD-Hochburgen Coburg und Hof können die Bürgermeister nicht auf rot-grüne Mehrheiten zählen. Hauptgrund sind neben den lokalen Freien Wählern, Republikaner und ÖDP, die sich oft als viert- oder fünftstärkste Kraft noch vor der FDP behaupten konnten. So bekam in der 10.000-Einwohner-Gemeinde Taufkirchen/Vils der Rep-Kandidat Martin Huber 21,1 Prozent, in Passau erzielte ÖDP-Landesgeschäftsführer Urban Mangold als OB-Bewerber 11,5 Prozent. Der 39jährige Journalist konnte vor allem mit seinem Engagement gegen Mobilfunk-Antennen und das tschechische Atomkraftwerk Temelín punkten. „Ich lebe das, was ich politisch vertrete“, hatte Mangold vor der Wahl verkündet - also „kerosinfreie“ Urlaube, Lebensmittel aus dem Bioladen, „und ich habe kein Auto“. Auch in Straubing (8,4 Prozent), Kempten (5,7 Prozent) oder Regensburg (4,4 Prozent) erzielte die ÖDP Achtungserfolge.

Die Bayernpartei gewann nur im ländlichen Raum einige Mandate, in Regensburg schaffte sie die Wiederwahl nicht. Dafür hat die PDS inzwischen auch im weiß-blauen Freistaat Fuß gefaßt: Im Münchner Stadtrat sitzt demnächst die 39jährige Informatikerin Britta Wolf. Die Verdi-Gewerkschafterin kam 1995 von „außerparlamentarischen Widerstandsbewegungen“ zur PDS. Sie ist Mitglied der „Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft“ und seit über zehn Jahren in der Redaktion der Münchner Lokalberichte tätig.

Aus solch unterschiedlichen Ergebnissen eine „bittere Botschaft“ für den Kandidaten Stoiber herauszulesen und zu schlußfolgern, „daß sein politischer Kurs vor allem bei den politisch sensiblen Wechselwählern in den Großstädten nicht angekommen“ sei, gelingt nur der Süddeutschen Zeitung - bei der Christian Ude Ende der sechziger Jahre als Volontär arbeitete.


 
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