© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/02 08. März 2002

 
Der gestohlene Platz an der Sonne
Enteignungen: In Berlin fand eine Informationsveranstaltung über die Verstaatlichung des Tourismusgewerbes an der Ostsee statt
Ekkehard Schultz

Am 28. Februar veranstaltete die Stiftung „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ zusammen mit der Behörde des Bundesbeauftragten für die Akten des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes im Ufa-Palast am Alexanderplatz eine Filmvorführung mit anschließender Podiumsdiskussion. Im Mittelpunkt der Veranstaltung mit mehr als 250 Teilnehmern stand die „Aktion Rose“, eine generalstabsmäßig geplante Enteignungsaktion des Ministeriums des Innern der DDR gegen den gewerblichen Mittelstand in der Ostseeregion.

Opfer der „Aktion Rose“ waren Eigentümer von Hotels und Gaststätten entlang der Ostsee im Februar und März 1953. Auf fadenscheinige Anklagen aus der dehnbaren Wirtschaftsstrafverordnung von 1948 gestützt, wurden mehrere hundert Personen verhaftet. Bereits das Halten einer überlebensnotwendigen Vorratswirtschaft im Gastgewerbe reichte zur Anklage wegen „Hortens von lebenswichtigen Gütern“ aus und wurde ebenso mit Gefängnis und Entzug des Eigentums geahndet wie der Besitz von in Berlin (West) oder in Westdeutschland erworbenen Kleidungsstücken oder Nahrungsmitteln. Die konstruierten Urteile waren bereits im Vorfeld festgelegt und erfolgten im Schnellverfahren - im Regelfall ohne die Möglichkeit einer Verteidigung. Die sich zumeist in langem Familienbesitz befindlichen Kleinunternehmen wurden als „Sühnemaßnahme“ eingezogen. Dies bedeutete meistens die Vernichtung der Existenz.

Mit welcher Perfidität die „Aktion Rose“ durchgeführt wurde, unterstreichen die in den Akten des DDR-Innenministeriums belegten Vorplanungen. Bereits Tage vor den Durchsuchungen durch Volkspolizeieinheiten fandenTaxierungen statt, die den Wert der Objekte nach ihrer Ausstattung und Lage für FDGB-Heime oder Parteischulen bezifferten. Deren Besitzer hatten folglich überhaupt keine reale Möglichkeit, ihrer Verhaftung und dem Entzug ihres Eigentums zu entgehen. Nicht nur Immobilien fielen dem Staat quasi kostenfrei in die Hände, sondern auch Barvermögen in Höhe von 1,7 Millionen Mark und Schmuck im Wert von einer halben Million Mark. Gezielt setzte die DDR-Führung mit ihren Raub- und Repressionsmaßnahmen auf die Flucht der Angeklagten nach Westdeutschland. Somit ist auch der direkte materielle Gewinn weitaus höher anzusetzen, da sich die Immobilien „Republikflüchtiger“ ohne jede zu erwartende Schwierigkeit beschlagnahmen ließen.

Doch nicht allein der materielle Nutzen bestimmte den Wert der Aktion für die DDR-Führung. Vielmehr diente sie der Kriminalisierung des gesamten gewerblichen Mittelstandes, wie die anschließenden Scheinprozesse und die sie begleitende DDR-Propaganda bewiesen. Mit Hilfe der „Aktion Rose“ ließ sich die Schuld an der mangelhaften Versorgungslage auf die verbliebenen Kleinunternehmer lenken, nachdem man zuvor in ähnlicher Form den privaten Handel als Sammelbecken von Hehlern und Schwerverbrechern bloßgestellt hatte.

Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde vielen Betroffenen, die auf Rückgabe klagten, zum Verhängnis, daß sie in mehreren Fällen nach den Ereignissen des 17. Juni 1953 zunächst formal ihr Eigentum zurückerhielten, wobei die tatsächlichen Besitzverhältnisse weiterhin unklar blieben. Was dem Staat durch den Einsatz brutaler Gewalt nicht gelungen war, versuchte er nun auf sanftem Weg zu erreichen: Mit staatlichen Beteiligungen, mit Zwangskontigenten für FDGB-Gäste und vorgeschriebenen Höchstpreisen für private Gäste. Gleichzeitig lastete die Verpflichtung zum Eigentumserhalt einseitig auf den zuvor Enteigneten. So konnten sie ihrer zwangsläufigen Überschuldung nur durch immer höhere staatliche Beteiligungen Einhalt gebieten; und schließlich mußten die Objekte -natürlich „freiwillig“ - zu Spottpreisen dem „Arbeiter- und Bauernstaat“ verkauft werden.

Heute wird dieses Verhalten im Gegensatz zu den Enteignungen der „Aktion Rose“ von den Gerichten im Regelfall als rechtmäßiger Eigentumserwerb zugunsten von Staat und Kommunen gewertet und legitimiert und führt somit in den meisten Fällen nicht zur Rückübertragung.


 
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