© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
Wasser und Böden sind in Gefahr
Naturschutz: Der aktuelle Jahresbericht des Umweltbundesamtes widmet sich verstärkt unserem Trinkwasser
Volker Kempf

Als der Regierungsapparat vor wenigen Jahren von Bonn nach Berlin umzog, war das Umweltbundesamt (UBA) schon da. Wie ein Spielball war es dort 1974 gelandet, nämlich als Spielball der Weltpolitik. Bundesminister Egon Bahr (SPD) wollte die Ende Januar 1973 genehmigte Behörde in der ehemaligen Reichshauptstadt plaziert wissen, um das Vier-Mächte-Abkommen auf die Probe zu stellen, das beispielsweise den Transitverkehr zwischen dem damaligen West-Berlin und der Bundesrepublik Deutschland garantieren sollte. Das führte dazu, daß sich die Installierung des Amtes bis Juli 1974 verzögerte und die Mitarbeiter in der Regel selbst für Kurzstrecken das gar nicht so umweltfreundliche Flugzeug benutzen mußten, um politische Komplikationen mit der DDR zu vermeiden. 1992 wurde von der unabhängigen Föderalismuskommission des Bundestages die Verlagerung des UBA von Berlin nach Sachsen-Anhalt beschlossen. Nach der Fertigstellung der dortigen neuen Gebäude im Jahr 2003 sollen die etwa 800 UBA-Mitarbeiter 2004 endlich in Dessau residieren.

Die Umweltbehörde ist zahnlos, insofern sie über keine rechtlichen Durchsetzungsinstrumente verfügt. Um so mehr ist das UBA in den letzten zehn Jahren von Mittelkürzungen heimgesucht worden, zumal dem Thema Umwelt in Politik und Gesellschaft keine so große Bedeutung mehr beigemessen wird wie noch in den 1980er Jahren. Fast halbiert hat sich der Forschungsetat des UBA in der Zeit von 1992 bis heute. Trotz allem übt das UBA aber eine Vordenkerfunktion aus. Es soll die Kurzatmigkeit der Tagespolitik kompensieren helfen. Seinen Einfluß macht das Amt durch seine wissenschaftliche Autorität und Publizität seiner Arbeitsergebnisse geltend und war damit beispielsweise die treibende Kraft für ein Astbestverbot.

Der Ende 2001 erschienene "Jahresbericht" des Amtes dokumentiert das Arbeitsjahr 2000. Er zeigt wieder einmal auf, wie es um die Umwelt vor allem in Deutschland bestellt ist und welche konkreten Handlungsmöglichkeiten bestehen, wie sie genutzt wurden oder auch nicht. Dabei muß das UBA einen Spagat zwischen Regierungsloyalität und wissenschaftlicher Unabhängigkeit versuchen. Um so mehr ist der Bericht eine Fundgrube für all jene, die eine bessere Umweltpolitik machen wollen, als es die jeweilig Regierenden auf Bundes- und Länderebene tun. Entsprechendes gilt auch für die Kommunen.

Der erste Teil des umfangreichen Berichts nimmt sich "großen Themen" an, etwa dem des "Schutzes des Trinkwassers". Hierzu heißt es mit Blick auf die Liberalisierung des Trinkwassermarktes ganz sachlich und damit um so nachdrücklicher: "Zusammenfassend ist festzustellen, daß es aus Sicht des Gesundheits- und Umweltschutzes schwerwiegende Bedenken gegen die Liberalisierung der Wasserversorgung gibt."

Denn das UBA befürchtet, daß im Zuge der Marktliberalisierung Trinkwasservorräte genutzt, aber nicht geschützt werden. Wörtlich heißt es: "Viele der heute im Rahmen der Wasserversorgung erbrachten Leistungen für den Ressourcen-, Umwelt- und Gesundheitsschutz sind nicht im Einzelnen rechtlich fixiert oder nur schwierig zu überwachen. Diese freiwilligen Leistungen könnten in einem liberalisierten Wassermarkt zurückgefahren werden oder gar wegfallen."

Kommunen schützen beispielsweise ihre Trinkwassergebiete, werden das aber nicht als kostenlose Leistung anbieten und diesbezügliche Leistungen kürzen. Hinzu kommt, daß es durch die Liberalisierung des Wassermarktes zu Konzentrationen kommt, wo Wasser entnommen und wo es genutzt wird. Der Schutz kleiner Trinkwasserbrunnen entfalle damit vielfach vollständig. Vor allem wird die besagte Marktliberalisierung dazu führen, nicht Wasser an die Verbraucher zu liefern, das so gut wie möglich, sondern nur so gut wie nötig ist, um es denkbar güstig anbieten zu können. Zu diesem Zweck wird dann Trinkwasser notwendigerweise vermehrt gechlort werden, heißt es. Was für das Trinkwasser gelte, sähe bezüglich des Telekommunikations- und Strommarktes aber anders aus. Hier stoße eine Marktöffnung auf größere Effizienzpotenziale und löse mit deren Nutzung auch nicht unbedingt Qualitätseinbußen aus.

Zum Bodenschutz hingegen wird etwa die Notwendigkeit zum Flächenrecycling dargelegt und eine Erhebung bekanntgegeben, wonach hierfür bundesweit eine Fläche von der eineinhalbfachen Größe Berlins zur Verfügung stehe. Täglich würden insgesamt 129 Hektar Land - das entspricht 200 Fußballfeldern - bebaut werden.

Läßt man den ersten Teil des UBA- Berichts, aus dem hier nur zwei von zwölf "großen Themen" aufgeschlagen werden konnten, hinter sich, stößt man auf den zweiten und letzten Teil. Dieser nimmt sich "Projektergebnissen, Daten und Nachrichten" an. Das reicht von der Antarktis über ökologische Probleme bei der Globalisierung, welche die Welthandelsorganisation WTO nicht zu bewältigen vermag, bis hin zu naheliegenden Fördermöglichkeiten des Fußgängerverkehrs in den Kommunen. In diesem letzteren Falle läge noch viel Unkenntnis und entsprechend viel Nachholbedarf in den Städten und Gemeinden vor. Im technischen Umweltschutz wird unterdessen der Fortschritt bei der Klärtechnik von Abwässern kundgetan. So gibt es eine Bio-Membran-Technik, die Krankheitserreger und Fäkalkeime filtern kann. Besonders erfolgversprechend und relativ günstig sei eine biologische Phosphor-Eliminationsanlage, die sogar eine Mikrosiebanlage überflüssig machen könne.

So facettenreich im zweiten Teil die Themenpalette ist, so lohnend ist das Stichwortregister im Anhang. Damit wird der UBA-Bericht zu einem Nachschlagewerk, von dem gerade auch Umweltverbände und Bürgerinitiativen sowie Kommunalpolitiker und Parteiprogrammtüftler profitieren können.

Die Druckfassung und die CD-ROM des UBA-Jahresberichtes gibt es kostenlos beim Umweltbundesamt, Postfach 33 00 22, 14191 Berlin. Fax: 030 / 89 03-29 12


 
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