© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
CD: Pop
Verspottung
Michael Wiesberg

Die Berliner Morgenpost befand schon im April 1997 über die beiden Gitarristen Hans Reffert und Adax Dörsam, die sich "Schrammel & Side" nennen: "Was die beiden fingerflinken Gitarristen hervorzaubern, ist die ultimative Persiflage auf sämtliche Stilrichtungen zwischen Country, Folk und Rock 'n Roll." In der Tat bestechen Reffert und Dörsam nicht nur durch die Technik, mit der sie ihre Instrumente beherrschen, sondern auch durch eine gehörige Portion Humor. Insofern ist der Name "Schrammel & Slide" Programm. Unterstützt von Drumloops, digitalen Geräuschen und anderen Verfremdungseffekten basteln sie auch auf ihrer neuen Scheibe "Famous for not being famous", die bei dem Musikverlag Wonderland Records in Osnabrück erschienen ist, ein buntes Kaleidoskop von Klängen und Effekten. Zu hören sind unter anderem ein Country- und Western-Epos, südamerikanische Klänge, Kitschiges und andere Kuriosa. Für Abwechslung ist also auf dieser insgesamt sehr kurzweiligen Scheibe gesorgt, die sicherlich mit dazu beitragen wird, das beide Musiker bekannter werden.

Insgesamt 35 Texte liest Wiglaf Droste auf seiner neuen Doppel-CD "Das Paradies ist keine evangelische Autobahnkirche" (MR 6007-2; im Vertrieb bei Zomba und Eichhorn). Dieser Doppelpack bietet eine im großen und ganzen gelungene Auswahl von Stücken, die bisher nicht veröffentlicht wurden. Musikalische Unterstützung erhält Droste bei drei Texten von Danny Dziuk. Der verbalen Opulenz entspricht die Ausstattung der CD: aufwendig gemacht, mit einem großzügigen Beiheft, das noch zwei Texte bringt, die erst nach Beendigung der Aufnahmen geschrieben wurden.

Wiglaf Droste, der in Berlin lebt und arbeitet, ist ein im linken Spektrum anzusiedelnder Autor und Sänger. Seine Texte erscheinen u.a. in der taz, beim "Kritischen Tagebuch" des WDR, im "Politischen Feuilleton" des Deutschlandradios, auf den Berliner Seiten der FAZ und in der Süddeutschen Zeitung. Mit dem Essener Spardosen-Terzett veröffentlichte er im Herbst 2000 die CD "Für immer". Zutreffend bescheinigte die Münchner Abendzeitung Droste "die träge Gelassenheit des Raubtiers, das bei Bedarf jedem an die Kehle springt". Seine oft verletzende Schärfe hat Droste viel Ärger eingebracht. Professor Wilhelm Solms von der Universität Marburg schrieb im Mai 2001: "Droste ist inzwischen zum am häufigsten verklagten und verurteilten Autor avanciert. Deshalb wird leicht übersehen, daß er ein sensibler Poet ist ..."

Davon ist freilich auf der neuen CD wenig zu spüren. Bereits der Eingangstext zeigt, wo es langgeht: "Bombardiert Belgien!" In dieser Manier geht es mit Titeln wie "Der Angriff des Killer-Ypsilons", "Kreativer Alkohol" oder "Rache für Heike" weiter. Solms scheint, läßt man diese und andere Polemiken Drostes vor seinem geistigen Auge Revue passieren, seine ureigensten Vorstellungen über "sensible Poesie" zu haben.

Wieder mit von der Partie ist Drostes "Lieblingsmusiker" Peter Maffay, der seit Jahren von Droste unbarmherzig demontiert wird. Das Maß von Antipathie gegenüber Maffay wird von Droste nur noch durch dessen Verachtung für die schwäbische Band Pur gesteigert, deren musikalische Darbietungen für Droste den "akustischen Overkill" darstellen. Daß auch kreative Spötter wie Droste auf moralinsaure Einlassungen nicht verzichten mögen, zeigt der peinliche Text "Heil Herzlein", in dem sich in typisch linker Manier die bekannten antideutschen Ressentiments ungehemmt austoben.

Insgesamt bietet Droste viel Witz und Beobachtungsschärfe, die man sich allerdings in Dosen zu Gemüte führen sollte. Zwei Stunden und 25 Minuten sind auch beim größten Wohlwollen zuviel des Guten. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen.


 
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