© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
Dynastie als Staatsprinzip
Glanz und Untergang der Habsburger
Rolf Helfert

Spricht man heute von Habsburg, assoziieren viele die Geschichte des alten Österreich. Dieser Blickwinkel entspricht jedoch nur teilweise der historischen Realität. Vielmehr kennzeichnete es die Habsburger, daß sie multinationale Großreiche schufen. Der Mediävist Heinz-Dieter Heimann stellt die Ge­schichte dieser berühmten Dynastie kompakt dar. Alteuropa, schreibt Heimann, verliehen die Habsburger ihre "Signatur"; sie repräsentierten Kaisertum und römisch/deutsches Reich, Donaumonarchie, Autorität und Internationalismus. Heimann sieht die wichtigste Bedeutung der Habsburger darin, daß sie eine "Integrationsleistung" vollbracht hätten und reflektiert die Frage, inwiefern habsburgische Vorbilder die heutige Europa-Diskussion bereichern.

Die "Habichtsburg", Stammsitz der Familie, lag in der Schweiz. Durch Heiraten und Erbfolge, eine besondere Spezialität der Habsburger, erweiterten sie ihr Territorium. Graf Rudolf IV., seit 1273 deutscher König, sicherte der Dynastie die Nach­folge im Herzogtum Österreich. Dank eines gefälschten Privilegs verliehen sich die Habsbur­ger 1358 politische Souveränität und erhielten die Sukzession in den König­reichen Böhmen und Ungarn zugesprochen.

Friedrich III. bestieg 1452 als erster Habsburger den Kaiserthron und beanspruchte, staufi­sche Traditionen fortzusetzen. Damit begann eine weitere Etappe habsburgischer Geschichte; die Dynastie griff nach der Weltmacht. Erst 1806 verloren die Habsburger die römisch-deut­sche Kaiserkrone.

In der Zeit um 1500 gewann Maximilian I., der seine Kinder politisch klug verheiratete, ein Imperium. Unter Karl V. reichte es von Ungarn über Italien, Holland und Spanien bis zu den Philippinen und sah "die Sonne nicht sinken". Doch Karl V. verkannte mit seinem universellem Denken das Maß des Möglichen. Bloß dyna­stische Klammern stabilisierten die extrem disparate Ländermasse der Habsburger nicht; auch entzog die Reformation einer katholischen Reichsidee die Basis. Die Habsburger zer­fielen in eine spanische und eine österreichische Linie. Schon zu Lebzeiten Karls V. war da­mit die supranationale "Monarchia universalis" gescheitert.

Während des Dreißigjährigen Krieges stellten sich die Habsburger an die Spitze der Gegen­reformation, opferten abstrakten religösen Dogmen die gesamtdeutsche Staatsräson und zer­störten das Reich. Eben diesen Sachverhalt ignoriert Heimann: Wiens "konsequent durchgesetzte Gegenreformation" habe der "vielgliedrigen Habsburgermonarchie zur Einheit" verholfen. Hinsichtlich des Reiches stimmt diese These keinesfalls, bezüglich der habsburgischen Erblande nur dann, wenn man temporäre Friedhofs­ruhe mit "Einheit" verwechselt. Karl V. hatte seine Kräfte zersplittert und es den Osmanen ermöglicht, 1529 erstmals Wien zu belagern. Im Zuge der Türkenkriege des 17. und 18. Jahrhunderts erreichten die Habsbur­ger Siebenbürgen und Budapest. Nun entstand die Donaumonarchie im eigentlichen Sinn des Wortes. Habsburg/Österreich zerschellte an der monströsen Aufgabe, zugleich die deutsche Kaiser­macht zu festigen und ein Territorial-Imperium zu beherrschen. Auch hier ver­mißt der Leser notwendige kritische Analysen. Bereits die Erbfolgekriege der Zeit Maria Theresias, die Kämpfe um die "Pragmatische Sanktion", der Verlust Schlesiens, bedrohten das Fundament des Hauses. Nicht nur das Reich, sondern ebenso ihre Erblande leiteten die Habsburger wenig effektiv. Joseph II., der religöse Toleranz, Zentralismus und antifeudale Agrarreformen realisieren wollte, erzielte nur sehr begrenzte Erfolge - Bürokratischer Zentralismus und partikularer Föderalismus behrrschten weiterhin das Donaureich. Allein die Dynastie, die sich mittels steifer Hofzeremonien und schauerlicher Begräbnis­riten selbst mystifizierte, hielt dieses Länderkonglomerat bei der Stange.

Während der napoleonischen Kriege demonstrierten die Habsburger nochmals Resi­stenz und relative Flexibilität. Aus der Asche des Reiches retteten sie das "Kaisertum Öster­reich". Im letzten habsburgischen Jahrhundert folgten dann obrigkeitsstaatliche Reglementie­rung und Erstarrung, unablässige Kriegsniederlagen und familiäre Krisen. Das Doppelgebilde Österreich-Ungarn erschien sogar Franz Joseph I. als "An­omalie". Heimann rezitiert die Einschätzung eines "Völkergefängnisses", dessen Untergang 1918 nicht zu verhindern war. Die Dynastie vermochte letztlich das Fehlen einer Staatsidee nicht zu kom­pensieren. Ihren universalistischen Prämissen verdanken sie gleicherweise Aufstieg und Untergang. Heimann, der ein informatives und straffes, jedoch wenig kritisch-analytisches Buch vorgelegt hat, ist beizupflichten, daß eine "Rehabsburgerisierung" Ostmitteleuropas schwerlich in Betracht kommt. Rolf Helfert

Sarkophag Maria Theresias in der Kapuzinergruft in Wien: Die Dynastie machte die Staatsidee aus

Heinz-Dieter Heimann: Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche. C.H. Beck, München 2001, 128 Seiten, 7,50 Euro


 
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