© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002


Späte Unterhaltung: Raab und Schmidt liefern sich Quotenkämpfe
Von Zoten und anderem Gelächter
Steffen Königer

Den Erfolg einer Sendung, einer Werbung oder eines Produktes erkennt man immer an der Präsenz im Alltag. Wer hat sich noch nicht beim Anblick von Thomas Gottschalk unwillkürlich an Gummibären erinnert, wer pfiff noch nicht beim Schlendern durch den Supermarkt das Lied von der zartesten Versuchung? Bei den Flaggschiffen der allabendlichen Unterhaltung ist dies ähnlich. Der "TV-Total" Macher und Dauergrinser Stefan Raab hat dies genauso geschafft wie der Spätabendunterhalter und politisch oft unkorrekte Harald Schmidt.

Raab hat es zudem immer wieder vermocht, in die Schlagzeilen der Tagespresse zu gelangen. Sein applausabkürzender Satz "Aber wir haben doch keine Zeit..." galt in vielen Redaktionen als geflügeltes Wort, um die Arbeit schneller zu Ende zu bringen. Vom Maschendrahtzaun, der bei Regina Zindler vom Knallerbsenstrauch umwuchert wurde, sang die ganze Nation. Und nach dem Grand-Prix-Knaller "Wadde hadde dudde da" schickte der 36jährige noch schnell den Bundeskanzler zum Sturm auf die Hitliste. Mit "hol mir ma ne Flasche Bier" sammelte Gerhard Schröder ausnahmsweise mal eine ganze Menge unpolitische Schlagzeilen. Raab machte sich mit gesungenem Ständchen für Prominente unbeliebt (die gefürchteten "Rabigramme"), oder prügelte sich mit der Weltmeisterin im Frauen-Boxen, Regina Halmich, bis Blut floß - immer vor einem Millionenpublikum, denn Raab war dabei, der "Harald Schmidt-Show" in der Gunst der Zuschauer den Rang abzulaufen.

Harald Schmidt nimmt es gelassen. Er weiß um sein Ansehen bei dem Publikum; ist Schmidt doch ungleich intellektueller als der ständig blödelnde Raab, bei dem Gäste aller Coleur bis zur persönlichen Bloßstellung auf den Arm, aber keinesfalls ernst genommen werden. Das kann sich wohl nur Schmidt im deutschen Fernsehen leisten, etwa 60 Minuten einen schwarzen Bildschirm zu zeigen - nur unterbrochen von einer vorher ausgiebig angekündigten Werbung ("Schließlich müssen wir auch mal an das Geldverdienen denken."), eine ganze Sendung ein komplettes Symphonieorchester live spielen zu lassen -ohne Kommentar. Oder der mit Medienpreisen sehr verwöhnte machte seinen Freischwimmer in der Sendezeit, stellte ein Fußballspiel nach (bei der letzten Fußball-Europameisterschaft), daß sich der Zuschauer fragte: "Wie macht der das, wann schmeißen sie ihn raus?" Jede andere Sendung wäre aller Voraussicht nach sofort eingestellt worden, wie das Beispiel der Sendung "Blind Dinner" von Jürgen von der Lippe zeigte. Unseren Harry ficht das nicht an. Vor einigen Jahren rief er zum Mitleid mit Kühen auf und heftete sich einen kleinen schwarz-weißen Kuhschwanz an das Revers, der nicht ganz zufällig an die Aids-Schleife erinnerte. Und wer kann sich nicht an den Satz "Ich sage ‚Ja' zu deutschem Wasser" erinnern, den er mehrmals pro Sendung bis zum Erbrechen wiederholte. Steter Tropfen höhlt den Stein. Überhaupt hält sich Schmidt selten an Regeln der öffentlichen Meinung. Als ein deutscher Lehrer im November 2000 die Ems hat in die Ostsee münden lassen, war er als Schulmeister zur Stelle. Hing Karten auf, an die sich wohl kaum jemand erinnerte und plauderte über Ostpreußen. Sogar Jörg Haider kam in seine Sendung: Schmidt schlug den Kärntener Landeshauptmann doch glatt zum Liebling des Monats März vor. Allerorten betretenes Schweigen im Publikum: Darf der das? Kaum Applaus für den Österreicher.

Jüngst hat er sich auch an die Zuschauer gewandt, um den Kölschen Klüngel aus nächster Nähe zu beleuchten. Kein Wunder - die Sendezentrale liegt auch mitten in der Stadt am Rhein. So konnte er - immer gut assistiert von seinem Computer-Spezi Manuel Andrack - auf kabarettistische Weise jedem klarmachen: "Dat Prinzep vom Kölschen Klüngel is letzändlisch dooch nu de Menschlischkäät." Immer für eine Überraschung gut, ging es in der letzten Woche um eine komplette Turnstunde, mit Geräten, Schülern und Sportlehrer, den natürlich Schmidt selbst mimte.

Raab ist da von anderem Kaliber. Er arbeitet mehr mit den Ausschnitten aus Fernsehsendungen, über die Schmidt nur spricht. Das Publikum hat dann die Möglichkeit, sich über Versprecher von Prominenten und Politikern (Johannes Rau: "Salt Laik Zicki") vor Lachen zu biegen. Oder er macht sich über eine junge Sängerin in einem Sängerwettbewerb lustig, die zwar viel kann, wohl aber kaum singen ("Ich bin Dein Lieb-lings-ste-an..."). Neuerdings gibt es auch einen Schrein zu bewundern, den Raab Dieter Bohlen ("...Naddel!") widmete, welchen er auch gleich noch für das Bundesverdienstkreuz vorschlug. Ein angekündigtes Duell mit der erfolgreichsten Winterolympionikin, Claudia Pechstein, ist am 4. April zu erwarten. Dort wird Raab von Pechstein zwar 1.000 Meter Vorsprung auf der zu bewältigenden Strecke von 3.000 Metern bekommen, ist aber wohl chancenlos. In der letzten Woche tauchte der Entertainer, der sich sonst wie die "Turnschuhgeneration" kleidet, plötzlich im Anzug auf. Was war geschehen - ist Raab einer Typberatung zum Opfer gefallen? Das mußte sich der "TV-Total"-Zuschauer schon sorgenvoll fragen. Alles halb so wild, wußte Raab zu beschwichtigen. Und dann kams dicke, weil Raab politisch wurde - zumindest ein klitzekleines bißchen. Er werde jetzt auch so umherlaufen, weil er sich dem schickangezogensten Mann in Deutschland annähern wolle, sprachs und hielt ein Foto von Michel Friedman in die Kamera. Aber irgend etwas fehlte, bemerkte man beim Bildvergleich. Und richtig, Raab holte eine Büchse Rama hinter dem Tisch hervor und schmierte sie sich voll Inbrunst in die Haare. Am nächsten Tag doch das Mea Kulpa: "Millionen haben sich beschwert", so Raab, "Michel Friedman macht sich doch nicht Rama ins Haar!" Man hätte noch einmal recherchiert und herausgefunden, daß es stimme. Friedman schmiere sich nicht Rama in die Frisur, sondern Lätta!


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