© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/02 12. April 2002

 
Frisch gepreßt

Hardenberg. In Heinrich von Treitschkes fünfbändiger "Deutscher Geschichte" des 19. Jahrhunderts, die in keiner spätkonservativen Hausapotheke fehlen darf, ist alles so schön einfach: Staatskanzler Hardenberg, der liberale Reformer von 1810, hat Preußen auf die schiefe Ebene geschoben, auf der es unaufhaltsam Richtung 1848 raste, bevor dann Bismarck den Karren wieder aus dem Dreck zog. Bei nicht wenigen Treitschke-Nachfolgern, noch bis in die Zeit nach 1933, hat sich dieses didaktisch ungemein handliche borussische Deutungsmuster bewährt. Wessen Geschichtsbild der Einfachheit halber mit diesem historiographischen Holzschnitt übereinstimmt, sollte die neueste Bestandsaufnahme der Hardenberg-Forschung nach 1945 ignorieren. Für ihn würde sonst kein Stein auf dem andern bleiben. Der von Thomas Stamm-Kuhlmann, einem renommierten, an der Universität Greifswald lehrenden Preußen-Forscher, edierte Sammelband mit Referaten zu Leben und Wirken des Reformministers kommt allerdings auch für jene, die den hannoverschen Edelmann zur liberalen Traditionsstiftung benutzen, einem Denkmalssturz gleich. Den Tenor der Beiträge gibt der Herausgeber mit einem vorweggenommenen Fazit vor: "In den universalhistorischen Rahmen gestellt, verliert mancher Heros der deutschen Nationalgeschichte an Statur." Maßstab dafür sind ihm die Gründungsväter der USA ("Freier Gebrauch der Kräfte". Eine Bestandsaufnahme der Hardenberg-Forschung, R. Oldenbourg Verlag, München 2001, 263 Seiten, 49,80 Euro).

Moeller van den Bruck. Wieder schreibt ein Franzose über Moeller van den Bruck. Fast zwanzig Jahre nach Erscheinen der bis heute nicht übersetzten, einschüchternd dicken Monographie Denis Goeldels über diesen maßgebenden KR-Autor, die Armin Mohler als Standardwerk pries, hat sich mit Michel Grunewald, Professor an der Universität Metz, wieder ein Ideenhistoriker jenseits des Rheins dieses politischen Denkers angenommen. Grunewald beschränkt allerdings seine Aufgabe: Thema ist allein Moellers Geschichtsphilosophie. Ließe sich aus dem Grad der Berücksichtigung des heute völlig vergessenen Naturphilosophen Gustav Th. Fechner, dessen Einfluß auf Moeller schwerlich überschätzt werden darf, ein Urteil über die Qualität dieser Studie ableiten, fiele es negativ aus. Fechner wird eingangs erwähnt, in seiner Bedeutung aber nicht erkannt. Dafür fallen dann Analysen über "Rasse und Nation" bei Moeller schon gründlicher aus (Moeller van den Brucks Geschichtsphilosophie, Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. 2001, 2 Bände, 158 und 375 Seiten, 69 Euro).

Dritte Wege. Da möchte jemand einmal so richtig abräumen. Glaubt man nämlich dem jungen Historiker Thomas Keller, dann hat vor ihm niemand die Konservative Revolution in ihrer europäischen Dimension so richtig verstanden. Armin Mohler wird immerhin gönnerhaft dafür gelobt, daß er die Austauschdiskurse zwischen links und rechts und die Modernisierung des antiliberalen Diskurses erkannt habe, während Ernst Noltes These vom Widerstand gegen die sich auflösende Transzendenz noch für "bedenkenswert" befunden, seine "Konstruktionen im Historikerstreit" aber selbstverständlich als "unannehmbar" geächtet werden . Was Keller über deutsche und französische Grenzgänger zwischen links und rechts, die Personalisten diesseits und jenseits des Rheins, ausbreitet, ist zweifellos als eine von stupenden Kenntnisen zeugende Pionierstudie zu loben, leidet aber unter den politisch verengten Ansichten, die sich in der Nolte-Kritik offenbaren (Thomas keller: Deutsch-französische Dritte-Weg-Diskurse. Personalistische Intellektuellendebatten in der Zwischenkriegszeit, Wilhelm Fink Verlag, München 2001, 437 Seiten, 51,60 Euro).


 
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