© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
Putins Weihnachtsgans
von Doris Neujahr

Die beim deutsch-russischen Gipfel in Weimar getroffene Regelung zur Tilgung der sowjetischen Altschulden bei der DDR in Höhe von 7,5 Milliarden Euro sieht so aus: 500 Millionen Euro will Rußland in Raten an Deutschland zurückzahlen, 500 Millionen Euro betragen umgekehrt die Hermesbürgschaften, mit denen der deutsche Steuerzahler die Rußland-Exporte subventioniert. Deutschland geht leer aus. Man kann diesen Verzicht als realpolitische Weisheit oder als Optionsschein auf einen dereinst florierenden russischen Markt begrüßen. Viel spricht jedoch dafür, daß die deutsche Diplomatie der Arroganz einer abgehalfterten Kolonialmacht nicht gewachsen war.

Jedenfalls ist schärfster Widerspruch einzulegen, wenn es zur Begründung des Rechenexempels heißt, die Sowjetunion habe jahrzehntelang die DDR zum Vorzugstarif mit Energie beliefert. Präsident Putin, der bis 1989 KGB-Vertreter in der DDR war, weiß ganz genau, daß die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern auf Knebelverträgen beruhten, die ein halbwegs vernünftiges Wirtschaften in der DDR unmöglich machten. Notorischer Schlendrian und willkürliche Vertragsauslegungen verschlimmerten die Situation zusätzlich. Die Sowjetunion hat ihre Quasi-Kolonie ausgenommen wie eine Weihnachtsgans.

Die deutschen Politiker stecken davor den Kopf in den Sand. Wenn Gerhard Schröder erklärt: "Wir wollen uns nicht über das Maß hinaus mit der Vergangenheit beschäftigen", zeigt er den Menschen in der Ex-DDR, was ihre historischen Erfahrungen in seinen Augen wert sind: gar nichts.


 
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