© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
Freies Schalten und Walten
Bernhard Frye untersucht die staatliche Aufsicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
Detlef Kühn

Der Rundfunk ruht in Deutschland auf zwei Säulen. Seit gut 15 Jahren existiert der private Rundfunk, der sich ausschließlich aus Werbeeinnahmen finanziert. Wesentlich älter ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der sich vor allem aus den Gebühren finanziert, die Zuschauer und Hörer zwangsweise zahlen müssen, dem es aber in beschränktem Umfang auch gestattet wird, Werbung zu senden und dadurch zusätzliche Einnahmen zu erzielen.

Beide Säulen dieses dualen Systems unterliegen trotz des Zensurverbots des Grundgesetzes einer gewissen staatlichen Aufsicht. Sie wird bei den privaten Rundfunkveranstaltern durch die Landesmedienanstalten ausgeübt und ist vor allem im Bereich des Jugendschutzes und bei Verstößen gegen die Werberichtlinien recht penibel. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde demgegenüber vom Gesetzgeber großzügiger behandelt. In Hessen gibt es sogar keine Staatsaufsicht. In den anderen Bundesländern beschränkt sie sich auf eine bloße Rechtsaufsicht meist der Staatskanzlei, die noch dazu nur subsidiär der internen Kontrolle durch Rundfunk- und Verwaltungsräte der Anstalten nachgeordnet ist. Nicht ganz zu Unrecht beklagen sich die privaten Rundfunkveranstalter über diese Ungleichbehandlung, zumal auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk trotz gesicherter Gebühreneinnahmen nicht gegen Versuchungen gefeit ist, sich etwa durch Verstöße gegen Werbezeitbeschränkungen oder gar durch Schleichwerbung ungerechtfertigte wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen.

Bernhard Frye untersucht in seiner Leipziger rechtswissenschaftlichen Dissertation mit Akribie die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen staatlicher Aufsicht über öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter, also die Sender der ARD, das ZDF, Deutschlandradio und, als einziger Bundessender, die Deutsche Welle. Die Arbeit ist sehr systematisch angelegt und mit ihren Feinheiten ein Leckerbissen für Medienrechtler in den Justitiariaten der Sender, der Staatskanzleien und der entsprechend spezialisierten Anwaltskanzleien. Im letzten Teil beschäftigt sich Frye mit denkbaren Verbesserungen der derzeitigen Rechtslage, wobei er zum Beispiel eine Aufsicht durch die ebenfalls staatsfern organisierten Landesmedienanstalten auch über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für zulässig hält. Dies könnte, sagt er zutreffend, zu "einer Reduzierung staatlichen Einflusses" auf den Rundfunk führen. Allerdings dürfte gerade dies der Grund dafür sein, daß niemand in den Staatskanzleien und Mehrheitsfraktionen der Landesparlamente an derartigen Veränderungen des geltenden Rechts interessiert ist. Die Versuchung, Machtpositionen im Rundfunk auszubauen, ist für Politiker aller Richtungen einfach zu groß. Eine Veränderung, die aufsichtsrechtliche Maßnahmen - von wem auch immer - in vielen Fällen entbehrlich machen würde, weil sie die Versuchung zu Rechtsverstößen erheblich vermindern würde, erwähnt Frye allerdings nicht: Ein generelles Verbot von Werbung im gebührenfinanzierten Rundfunk wäre nicht nur nutzerfreundlich, sondern würde auch alle Anreize zu Rechtsverstößen in diesem Bereich (außer der sowieso verbotenen, aber dennoch gelegentlich praktizierten Schleichwerbung) beseitigen. Detlef Kühn

Bernhard Frye: Die Staatsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Duncker & Humblot, Berlin 2001, 212 Seiten, 54 Euro

Detlef Kühn war von 1992 bis 1998 Direktor der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien in Dresden.


 
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