© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
Meldungen

Frühe Biodebatte im "Zauberberg"

BERLIN. "Die Dichter lügen". Dieses auf Platon zurückgehende Schlagwort, im 20. Jahrhundert aktualisiert im Dogma der "zwei Kulturen", der Gegenläufigkeit naturwissenschaftlich-technischer und humanistisch-literarischer Kultur, hat nicht wenig zur Marginalisierung der Dichtung im abendländischen Diskurs des Wissens beigetragen. Dagegen kann der Germanist Wolfgang Riedel in seiner Würzburger Antrittsvorlesung nachweisen, wie gerade die Literatur der Ort ist, wo der naturwissenschaftliche dem humanistischen "Diskurs" begegnet (Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, Bd. 238/01). Ganz offenkundig sei die Vermittlung der zwei Kulturen im Werk der schreibenden Ärzte Gottfried Benn und Alfred Döblin oder des diplomierten Ingenieurs Robert Musil. Weniger bekannt ist, in welchem Umfang der naturwissenschaftlich nicht vorgebildete Thomas Mann die zeitgenössische Biologie rezipiere und im "Zauberberg" verarbeite. Dabei orientiere Mann sich nicht an der populären Evolutionstheorie, sondern an der zu seiner Zeit innovativen Zellbiologie, die den Menschen ungleich radikaler als Naturwesen fasse. Als "anthropologischer Roman" vollziehe der "Zauberberg" also die revolutionäre "Achsendrehung" im Begriff des Menschen als eines reinen homo biologicus.

 

Universitäts-Mittelbau erstreitet Atempause

BERLIN. Der Mittelbau an den deutschen Universitäten hat im Streit mit Bundesministerin Edelgard Bulmahn (SPD) um das neue Hochschulrahmengesetz (HRG) einen Teilerfolg erzielt. Am 22. März kündigte sie an, eine "Klarstellung" in das HRG aufzunehmen. Diese Regelung sieht vor, daß wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter, die ihre Tätigkeit bereits unter Geltung der alten Befristungsregelungen aufgenommen hatten, mindestens bis zum 28. Februar 2005 befristet beschäftigt werden können, wenn dies erforderlich ist, um eine begonnene Promotion oder Habilitation zu beenden.

 

In Deutschland immer mehr Analphabeten

ERFURT. Vier Millionen Menschen in Deutschland können weder lesen noch schreiben. Zu diesem traurigen Ergebnis gelangt die Erfurter Erziehungswissenschaftlerin Siegfriede Huck. Mit der steigenden Zahl von Schulabbrechern wachse auch die Zahl der Analphabeten; und immer mehr Kinder würden daheim nicht zum Lesen ermuntert. Allerdings müßten sich auch die Lehrer fragen, so die Forscherin, wie es trotz allgemeiner Schulpflicht so viele Betroffene geben könne. Dabei wird laut Huck das Lesen und Schreiben in der Arbeitswelt immer wichtiger. Zahlreiche Volkshochschulen und der "Bundesverband für Alphabetisierung" (im Internet: www.alphabetisierung.de ) bieten Betroffenen anonyme Beratung und Nachholkurse an.

 

Zahl der Schulabbrecher nimmt stetig zu

KÖLN. In den letzten Jahren ist die Zahl der Schüler, die ihre Schule ohne Abschluß verlassen, deutlich gestiegen: vor zehn Jahren brachen rund 64.000 die Schule ab, im Jahr 2000 waren es schon fast 87.000. Die Daten, die von dem Institut der deutschen Wirtschaft ermittelt wurden, zeigen auch ein überraschend klares Ländergefälle. In den mitteldeutschen Schulen gibt es, wie zum Beispiel in Thüringen, 12,6 Prozent Schulabbrecher; in Nordrhein-Westfalen sind es "nur" 6,1 Prozent. In dem Stadtstaat Berlin kommt etwa die Hälfte der nichtdeutschen Abbrecher aus türkischen Familien; schlecht steht es auch um die schulpflichtigen Kinder anderer Einwanderer. Insgesamt hat nicht einmal jeder Fünfte von ihnen einen Hauptschulabschluß, so daß die Suche nach einem Ausbildungsplatz schwierig ist.


 
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