© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002


Leserbriefe

Zu: "Israel in der Sackgasse" von Michael Wiesberg, JF 16/02

Ohnmacht und Desinteresse

Seit 1967 besetzt Israel palästinensisches Land und baut völkerrechtswidrig Siedlungen. UN-Resolutionen hiergegen - soweit sie nicht am Veto der USA scheiterten - werden folgenlos ignoriert. Die besetzten Gebiete werden jedoch nicht annektiert, denn so erhielten die dort lebenden Menschen ja den Status israelischer Staatsbürger - mit allen Rechten. Doch daran scheint in Israel niemand interessiert zu sein. Statt dessen werden die Not und die Zwangslage der Leute ausgenutzt, um sie als billige Arbeitskräfte auszubeuten.

Die nunmehr 35 Jahre währende Unterdrückung und Entrechtung des palästinensischen Volkes erreicht in diesen Tagen ihren vorläufigen traurigen Höhepunkt. Das Unrecht und die Verbrechen sind selbst für mit massivsten Brettern Ausgestattete unübersehbar geworden.

Vereinzelt hört man verhaltene Kritik, doch die sogenannten Mächtigen dieser Welt unternehmen letztlich nichts. Bushs Aufforderung, Israel solle seine Offensive beenden und sich zurückziehen, wird von Sharon nicht ernst genommen. Sharon weiß, daß kein US-Präsident gegen die jüdische Lobby in den USA bestehen kann.

Friedrich Schu, St. Wendel

 

Prinzipien der Wehrlosigkeit

Rache, Vergeltung und Strafe gehören zur Menschheit wie Gewalt und Ungleichheit. Diese "Naturgesetze" wurden noch nicht durchbrochen, hat es doch zudem "die Natur" so eingerichtet, daß der "Verlierer" sein Revier geschlagen räumt und der "Sieger" triumphierend das Feld beherrscht. Schweigen, Demut, Sich-Wegdrehen und den Nacken zeigen, lösen reflexartig Effekte aus, die zum Nachsetzen animieren. Der Angegriffene scheint also dazu gezwungen, dem Agressor die Stirn zu bieten - möglichst intelligent und erfolgreich.

Despoten und Verbrecher gegen die Menschlichkeit sind nirgendwo freiwillig gegangen, haben nicht ohne Gegenwehr den Rückzug angetreten - analog dazu findet sich nirgendwo ein Beispiel dafür, daß Bürgerrechte und zivilisatorische Errungenschaften durch die Hinnahme von Gewalt und Willkür erreicht werden konnten, im Gegenteil, nur aktive Bekämpfung des Übels, in welcher Gestalt auch immer, erbrachte uns zumindest einen besseren gesetzlichen Rahmen, der ja die Grundlage des gerechteren Miteinanders darstellt.

Würden die Prinzipien der Wehrlosigkeit weiter gefördert und damit der Instinkt der Selbsterhaltung, der vom Willen der eigenen Verteidigung lebt, untergraben, liefen wir nicht Gefahr, die negativen Zivilisationsgebrechen zu vertiefen?

Sharon hat ein angewandtes Prinzip als historische Erfahrung auf seiner Seite, daß nämlich sehr wohl ein Frieden mit den Mitteln des Kriegs notfalls auch herbeigebombt werden kann!

Tanja Krienen, Unna

 

Tolerierung des Massakers?

Ohnmächtig starren die Europäer auf das Wüten einer enthemmten israelischen Soldateska in den Städten und Flüchtlingslagern Palästinas. In Brüssel und Berlin empfiehlt man neue Konferenzen, will Beobachter senden, vielleicht auch UN-Truppen am Ende eines jahrelangen Friedensprozesses. Nur vereinzelt ist von Sofortmaßnahmen die Rede. Dabei könnten EU und deutsche Regierung heute schon wirksamen Druck auf Israel ausüben - wenn sie nur wollten. Zum Beispiel:

- Rüstungslieferungen an Israel stoppen

- Wirtschaftshilfen und Kredite einfrieren

- Das EU-Assoziierungsabkommen kündigen, welches Israel zollfreien Zugang zum europäischen Markt gewährt

- Mindestens 20 Millionen Euro Schadensersatz fordern für die Zerstörung von EU-finanzierten Gebäuden und Einrichtungen im Westjordanland und Gazastreifen

- Sanktionen (z. B. ein Embargo) verhängen wie 1999 gegen Jugoslawien

- UN-und Nato-Ultimatum vorbereiten wegen Mißachtung von über 60 UN-Resolutionen

- Anklage vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag erheben wegen Völkermord, Vertreibung und Entrechtung.

Wenn Europa - und vor allem Deutschland - den israelischen Vernichtungskrieg und die jüdische Besiedlung der besetzten Gebiete weiterhin duldet, ja indirekt fördert, dann zeigen wir der Welt einmal mehr, was wir unter "westlichen Werten" verstehen: Selektive Wahrnehmung von Unrecht, Vorrang amerikanischer Interessen vor Selbstbestimmung und Humanität. 

Herbert Rauter, Karlsruhe

 

Widersprüchlichkeiten

Wie auf dem Bubenschulhof in der großen Pause dreht sich bei der Analyse der Schlägerei alles nur noch um die Frage: Wer hat angefangen?

Paul Spiegels Erinnerung scheint nur bis zum ersten palästinensischen Attentat zurückzureichen. Warum aber dieses erste Attentat stattfand, haben er und die Seinen erfolgreich verdrängt. Er glaubt, wir in Deutschland verstünden die Juden nicht, weil niemand unsere Straßenbahnen in die Luft jagt. Vielleicht versteht Herr Spiegel die Palästinenser nicht, weil ihm noch niemand sein Haus abgenommen hat, weil noch niemand mit einem Panzer durch sein Wohnzimmer gerollt ist? Paul Spiegels Demonstration in Frankfurt ist ein weiterer Beweis für die Unfähigkeit des Menschen, objektiv zu sein. Wie Paul Spiegel es schafft, auf der einen Seite den demokratisch gewählten Österreicher Haider zu verdammen, weil er einen Zuwanderungsstopp verlangt und auf der anderen Seite eine Rechtfertigungsdemo für Israel zu organisieren, das verstehe wer will. Man stelle sich den Spiegelschen Aufschrei vor, wenn die Bundeswehr ihre Panzerbataillone durch Kreuzberg jagen würde. Nicht auszudenken! Bleibt einfach und ernüchternd festzustellen, daß auch Paul Spiegel ein Opfer ist. Um fair zu sein, möchte ich hinzufügen, daß Herr Spiegel sich völlig korrekt benimmt, indem er seine eigene Volks- und Kulturgruppe bevorzugt, in Schutz nimmt und dabei die Objektivität vergißt.

Kurt Willrich, Cairns, Australien

 

 

Zu: "Schill wird sich um die Demokratie verdient machen", Interview mit Joachim Siegerist, JF 15/02

Liberale Schill-Partei

Mich wundert es überhaupt nicht, daß sich Joachim Siegerist mit seiner Vereinigung "Die Deutschen Konservativen" für die liberale Schill-Partei in Sachsen-Anhalt stark macht. Schon in der Vergangenheit haben Siegerist und dessen sich fälschlicherweise als konservativ bezeichnende Vereinigung alle konservativen Parteien bekämpft. Und das als verlängerter Arm der CDU. Die Schill-Partei kann der CDU an die Regierung helfen, deshalb wird sie unterstützt. In Sachsen-Anhalt gibt es mit der FDVP eine anständige konservative Partei im Parlament! Es ist auch diesmal wieder der Wunsch Siegerists, diese konservative Pflanze zu zertreten.

Martin Seifert, Werne

 

 

Zu: "Wir betrachten das Wohl der Sorben als unsere Verpflichtung", Interview mit Robert Kopecky, JF 15/02

Tränen der Rührung

Wenn man dieses Interview liest, müssen einem Tränen der Rührung kommen. Ein tschechischer Abgeordneter der chauvinistischen Zeman-Partei sorgt sich um Deutsche sorbischer Abstammung. Er kommt selbst aus einem Ort, der bis 1945 mehrheitlich von Sudetendeutschen besiedelt war, die brutal vertrieben wurden. Mit diesen - nicht mit den Sorben - gab es eine Jahrhunderte währende, historische und kulturelle Verbundenheit, die dreieinhalb Millionen Sudetendeutschen in Böhmen und Mähren waren die unmittelbaren Nachbarn der Tschechen.

Hat sich Herr Kopecky einmal für das Schicksal der deutschen Volksgruppe interessiert? Hat er sich einmal gegen die Benes-Dekrete ausgesprochen? Wenn nicht, muß man seine Fürsorge für die sorbische Bevölkerung in Sachsen als pure Heuchelei bezeichnen.

Im übrigen brauchen die Sorben keine Unterstützung aus der Tschechischen Republik. Sie sehen dort doppelsprachige Ortsnamen und Straßenschilder. Im Kloster Marienstern erlebte ich einen ganz in sorbischer Sprache gehaltenen Gottesdienst. Außerdem gibt es eine Stiftung, die die sorbische Kultur tat- und finanzkräftig fördert.

Wenn die heutige deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik (die zahlenmäßig größer ist als die sorbische) so unterstützt würde, könnte sie sehr zufrieden sein. Diesen Menschen verweigert die tschechische Regierung nach wie vor die Gleichberechtigung, verweigert die Rückgabe des widerrechtlich beschlagnahmten deutschen Eigentums und lehnt sogar die Verantwortung für das Verbrechen der Vertreibung ab. Also bitte, Herr Kopecky, kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür in Prag, bevor Sie Ausflüge in die Lausitz machen!

Rüdiger Goldmann, Landtagsabgeordneter a. D., Düsseldorf

 

Übertreibung

Man kann verstehen, daß die JUNGE FREIHEIT auch an den Kiosken verkauft werden will, das aber sollte nicht soweit führen, daß man zum Beispiel einen tschechischen Abgeordneten sich über die Freiheit der Sorben ereifern läßt, während in seinem Land die Minderheit der Deutschen doch die größten Schwierigkeiten hat, ihr Eigentum zurückzuerhalten. Hier müßte man zumindest eine Gegenüberstellung der Minderheitenrechte hinzufügen. Liberale Zeitungen haben wir genug, und wenn diese Zeitung auch in diese Richtung pendelt, müßte man sie abbestellen.

Gert Tollmann, Heßdorf

 

Verblüffend und unverfroren

Es ist wirklich verblüffend, welche Unverfrorenheit Herr Kopecky, tschechischer Abgeordneter und Bürgermeister von Ustek, entwickelt. Er nimmt sich heraus, nach Deutschland zu fahren, um in der Lausitz für das Minderheitenrecht der Sorben zu demonstrieren. Ausgerechnet ein Bürgermeister von Ustek, der bis 1945 deutschen Stadt Auscha, deren Einwohner nach dem Krieg unter Zurücklassung ihres Eigentumes vertrieben wurden, und die die Nachkriegsbewohner als Raubgut in Besitz genommen haben. Vielleicht wohnt er ja selbst in einem Haus, das einem Deutschen gehört hat, und schert sich dabei nicht im geringsten um dadurch verletzte Rechte.

Nach Kriegsende herrschte in den deutschen Gebieten Böhmens und Mährens Anarchie. Die Deutschen waren macht- und rechtlos und vogelfrei. Tschechen kamen aus Innerböhmen und setzten sich als "Kommissare" in die deutschen Häuser. Die Besitzer konnten noch froh sein, wenn sie in einer Dachkammer ihr Leben bis zum Abtransport mit dem Viehwagen fristen konnten. Selbstverständlich tat das kein seriöser Tscheche - die blieben in ihren Wohngebieten in Innerböhmen. Aber für sehr viele Tschechen ging damals jeder Eigentumsbegriff verloren.

Ein heutiger tschechischer Abgeordneter eines Staates, der zwischen 1918 und 1938 die Minderheitenrechte der Deutschen mit Füßen trat, der 1945/46 die allergröbsten Menschenrechtsverletzungen durch die Vertreibung der angestammten deutschen Bevölkerung auf seine Kappe geladen hat und jetzt noch nicht einmal bereit ist, die Benes-Dekrete aufzuheben, fühlt sich also bemüßigt, in Deutschland nach den Minderheiten zu sehen. Das nenn man Chuzpe!

Dr. med. Herta Anders, Kulmbach

 

 

Zu: "In Berlin schlug die Stunde der Tradition" von Alexander Barti, JF 15/02

In der Tradition liegt Zukunft

Sie schreiben, daß sich die traditionsverbundene Priesterbruderschaft St. Pius X. "gegen die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) stellt". In der Tat hat es aber auf dem II. Vaticanum keine Meßreform gegeben. Allerdings wurde der Anstoß dazu erteilt, den überlieferten Ritus zu modernisieren. Die praktische Aufgabe des Latein, die Gebetsrichtung zum Volk hin und die radikale Entkräftigung des Opfercharakters, die die neue Messe kennzeichnen, sind jedoch erst Bestandteile des 1969 veröffentlichten neuen Meßritus. Dieser bricht in Form und Inhalt bewußt mit der fast 2000 Jahre alten Tradition der Kirche. Die Konzilsväter hätten einem solchen radikalen Schnitt sicher nicht zugestimmt. Eine schon früher unter den Augen ausgewählter Kardinäle versuchsweise zelebrierte "Missa mixta", die Elemente des neuen Ritus enthielt, wurde von den Teilnehmern grundsätzlich abgelehnt. Um so erstaunlicher erscheint es, daß sich die neue Messe dann so schnell durchsetzen konnte. Weniger erstaunlich ist dagegen die Tatsache, daß der Reiz des Neuen an der neuen Messe nach nur 30 Jahren vollkommen verblaßt ist - bedenkt man die Kraft einer Jahrtausende alten, kulturprägenden katholischen Tradition. Inzwischen werden in manchen Gegenden mehr Priester für den überlieferten Meßritus geweiht als für die neue Messe. Wer heute auf die katholische Kirche setzt, sollte daher auf die alte Messe setzen. Es ist schließlich nur eine Frage der Zeit, bis Rom zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Denn nur in der Tradition liegt die Zukunft. 

Johannes Laas, Berlin

 

 

Zu: "Jeder an seinem Platz" von Hans-Jürgen Hofrath, JF 15/02

Innere Werte

Der Analyse von Hans-Jürgen Hofrath ist nur insofern zu widersprechen, daß es deutsche Jugendliche in Hülle und Fülle gibt, die leistungsbereit, flexibel, gut ausgebildet und mit gesundem sozialen und familiären Umfeld gesegnet sind. Die meisten beherrschen ihre Muttersprache, sind fit am Computer und offen für jede berufliche Herausforderung. Nur: es braucht sie keiner. Es gibt Arbeit in Hülle und Fülle, aber keine Firmen oder Institutionen, die diese Arbeit bezahlen können oder wollen. Es steht dieser vielbeschworenen Elite einfach kaum eine Tür offen. Die Folge sind persönliche Sinnkrisen und Sich-Treiben-lassen. Und so kommen auch die sonderbaren Brüche in die jungen Lebenswege: die Musikerin, die auf Pharmazie umsattelt, die Zahnärztin, die einen Blumenladen aufmacht, der Instrumentenbauer, der Taxi fährt. Oder der Historiker, der mit knapp 40 Jahren seine erste Stelle als Aushilfslehrer an der Gesamtschule bekommt und dann bis zu seiner Frühpensionierung der jüngste Lehrer in einem restlos überalterten Kollegium ist.

Nein, die eigentliche von Herrn Hofrath unerwähnte Katastrophe ist die planmäßige Zerstörung jugendlicher Kreativität und Verantwortungsbereitschaft durch einen Staat, dessen "Diener" nur noch um ihre Pfründe fürchten.

Walter Thomas Heyn, Berlin

 

 

Zu: "Hecken und Feldraine sind wichtige Biotope" von Adrian Gerloff, JF 12/02

Kein Brot ohne Bauern

Es liegt schon außerhalb jeder Norm, der Landwirtschaft zu unterstellen, daß sie ihre Produktionsbasis, nämlich Grund und Boden, bewußt kurzfristig vernichten, nur des Profitwillens wegen. Daß ihre Wirtschaftsweise nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, sondern vielmehr Nahrungsmittel produziert, die den Konsumenten nachhaltig schädigen.

Wie sehr die landwirtschaftlichen Familien mit ihrem Boden verbunden sind, mag dies verdeutlichen: Viele Familien bewirtschaften ihren Besitz schon seit vielen Generationen mit der "Natur" und fühlen sich auch heute noch in dieser Tradition eingebunden. Noch ist Bauer in Deutschland kein Beruf wie jeder andere, ein Beruf, den man lediglich des Geldverdienens wegen ausübt. Bauersein ist eine Berufung, die den ganzen Menschen vereinnahmt, moralisch wie auch ethisch.

Menschen, die über gute und sichere Einkommen verfügen, sollten mit dem erforderlichen Respekt über andere Berufsgruppen, die ihr Einkommen auf einem politisch beeinflußten Markt erwirtschaften müssen, recherchieren und sich der Wahrheit und den Tatsachen verbunden fühlen.

Soll es nun wirklich ein "Aus" für die Landwirtschaft geben? Soll der Ökologie tatsächlich und ausschließlich im Sinne der herrschenden Ideologie der Vorrang gegeben werden? Ist die Landwirtschaft erst zum Erliegen gebracht, so läßt sie sich nur schwer wieder in Gang bringen. Sie ist eben keine Autoindustrie, die man aktivieren oder deaktivieren kann, je nach dem wie die Mächtigen der Wirtschaft es wollen. Es bleibt nur diese Wahrheit: Und wäre nicht der Bauer, wir hätten kein Brot! 

Klaus Glagau, Münster


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