© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/02 26. April 2002

 
In den Schuhen des Königs
Sachsen: Georg Milbradt übernimmt von seinem Vorgänger und Widersacher Kurt Biedenkopf ein schweres Erbe
Paul Leonhard

Sachsens neuer Ministerpräsident Georg Milbradt will die erfolgreiche Politik seines Vorgängers Kurt Biedenkopf fortsetzen. Es werde keine Veränderungen in der Politik, nur bezüglich der Personen und des Stils geben, betonte der 57jährige Christdemokrat nach seiner Wahl durch den Sächsischen Landtag. Die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, die Bildungspolitik und den Hochschulkonsens bezeichnete er als seine wichtigsten Aufgaben. Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht, denn bereits im Herbst 2004 stehen Landtagswahlen an und es erscheint zweifelhaft, ob es der sächsischen Union erneut gelingt, ihre seit 1990 bestehende absolute Mehrheit im Landtag zu verteidigen.

Die Oppositionsparteien PDS und SPD haben in der Vergangenheit die Chance genutzt, die ihnen die Affären Biedenkopfs boten und sich profiliert. Aber auch die christdemokratische Basis hat im Streit um die Nachfolge von "König Kurt" an Selbstbewußtsein gegenüber Amtsträgern gewonnen. Mit der Wahl Milbradts sei "die Stunde gekommen, wo wir den Schritt von der Monarchie zur Republik gehen können", formulierte SPD-Fraktionschef Thomas Jurk wohl in Erinnerung an seinen Vorgänger Karl-Heinz Kunckel. Dieser, ein bürgerbewegter Elektrotechnikingenieur, bewunderte den Herrn Professor Biedenkopf einfach viel zu sehr, um politisch gegen ihn punkten zu können. Das bescherte den Sozialdemokraten letztlich 1998 bei den Landtagswahlen einen Platz noch hinter der PDS mit nur 10,7 Prozent.

Neue Töne sind auch von CDU-Fraktionschef Fritz Hähle zu hören. Während er als Parteivorsitzender stets in Nibelungentreue den Ministerpräsidenten verteidigte, mahnt er nun eine Austarierung der Gewichte zwischen Regierung, Partei und Fraktion an. Letztere werde eine souveräne und selbstbewußte Rolle in der sächsischen Politik spielen. Partei- und Regierungschef Milbradt dürfte bisher davon wenig gespürt haben, denn zur Zeit wird unter den Landtagsabgeordneten vor allem um Ministerposten gebuhlt.

Anfang Mai will Milbradt sein neues Kabinett vorstellen. Fest steht, daß vier der bisherigen Minister nicht mehr zur Verfügung stehen. Hans Geisler (Soziales), Kajo Schommer (Wirtschaft und Arbeit) und Hans-Joachim Meyer (Wissenschaft und Kunst), alle drei Amtschefs der ersten Stunde, gehen in den Ruhestand. Justizminister Manfred Kolbe zieht es dagegen zurück in den Bundestag. Nicht nur CDU-Generalsekretär Hermann Winkler hofft auf einen Ministerposten, auch der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Volker Bandmann, möchte ins Kabinett. Und die Kamenzer Landrätin Andrea Fischer liebäugelt offenbar mit der Vorstellung, die Staatskanzlei zu übernehmen.

Mit dem Rücktritt Biedenkopfs ist in Sachsen eine Ära zu Ende gegangen. Der schnelle Wiederaufbau des Landes ist zwar nicht abgeschlossen, hat aber einen Stand erreicht, der keine großen Schritte mehr erlaubt. Vor allem die Finanzen sind knapp. Das weiß keiner besser als Milbradt, der bis zu seinem Rausschmiß Anfang 2001 als Finanzminister die Politik Biedenkopfs absicherte. Listenreich, geizig, aber auch mit unkonventionellen Methoden hat der einstige Stadtkämmerer von Münster das dem Freitstaat zur Verfügung stehende Geld zusammengehalten und versucht, die Verschuldung so gering wie möglich zu halten.

Die Meßlatte hat er sich selbst hoch gelegt. Ziel sei es, "Sachsen zu einer führenden Region in Mitteleuropa weiterentwickeln" zu können, versprach er nach der Wahl vor dem Landtag. Das wird schwer und es ist noch unklar, wer ihn dabei unterstützen wird. Nicht einmal alle der 76 CDU-Kandidaten haben ihm bei der Wahl die Stimme gegeben.

Steuerliche Geschenke hat er nicht zu vergeben. Außerdem muß er jetzt das zu Ende bringen, woran sich Biedenkopf die Zähne ausgebissen hat. Da ist erstens der Hochschulkonsens, der den Bildungseinrichtungen eine langfristige Planung auf zukunftsfähigen Strukturen ermöglichen soll. Auch auf dem Gebiet des Schulwesens hinterläßt Biedenkopf eine komplizierte Situation.

Unverändert schwierig ist auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die Abwanderung gerade junger Menschen aus Sachsen nimmt zu. Vor Milbradt steht eine Zeit der kleinen Schritte, in der er beweisen muß, daß er nicht nur ein "Übergangsministerpräsident" ist, wie die SPD spottete.


 
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