© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/02 26. April 2002

 
Eine viktorianische Romanze
Kino I: "Kate & Leopold" von James Mangold
Werner Olles

Bei H.G. Wells, dem "Vater" aller Zeitreisenden, waren Ausflüge in die Vergangenheit oder Zukunft noch mit sämtlichen Elementen einer klassischen negativen Utopie behaftet oder besaßen zumindest einen gewissen Anteil an sozialutopischen Intentionen. Heutzutage schreibt man sich als Drehbuchautor einer Fantasy-Komödie mit leichter Hand ins Manhattan des Jahres 1876, um seinen Helden von dort per Zeitreise in das New York des 21. Jahrhunderts zu katapultieren.

So ergeht es jedenfalls Leopold, dem dritten Baron von Albany (Hugh Jackman). Gerade noch dabei, auf einem Ball unter den neureichen jungen Damen der High Society auf Drängen seiner Familie endlich eine Braut zu erwählen, sieht er sich nach einem Sturz von der Great Eastern Bridge 125 Jahre in die Zukunft versetzt.

Für den Gentleman aus viktorianischer Zeit bedeutet der Übergang von einer Gesellschaft der strikten Konventionen und des reichlichen Müßiggangs in das hightech-orientierte Zeitalter des Pragmatismus und der schnellebigen Beziehungen zwischen den Geschlechtern zunächst einen regelrechten Kulturschock. Zum Glück lernt er die patente Karrierefrau Kate McKay (Meg Ryan) kennen, der zwar beruflicher Erfolg beschieden ist, die aber mit Männern bisher eher nur Pech hatte. Nach anfänglichem Befremden über Kates Zynismus und ihre Kaltschnäuzigkeit ist der zeitreisende Leopold aber mehr und mehr von ihr angetan. Denn Kate ist so ganz anders als die höheren Töchter, unter denen er seine Zukünftige suchen soll.

Und so beginnt im Jahr 2001 ganz gegen die Grundsätze des Fortschritts, nach denen es kein Schicksal mehr geben darf, eine viktorianische Romanze, die nur dadurch getrübt wird, daß Leopold unbedingt in die Vergangenheit zurückkehren muß, da sonst die Zukunft ins Wanken geraten würde ...

James Mangolds ("Durchgeknallt", "Cop Land") "Kate & Leopold" ist gewiß eher der Familienunterhaltung als dem "harten Kern" der puren Fantasy zugedacht. Während Wells' Zeitreisender ein passiver Beobachter war, ein philosophischer Reisender sozusagen, greift Leopold nicht nur beherzt in das Geschehen ein, sondern findet am Ende, nach der Rückkehr in seine eigene Welt, auch sein persönliches Glück an der Seite der schönen Kate.

Natürlich ist der Held des Films eher einem Westerner zu vergleichen, als einem viktorianischen Edelmann, und natürlich ist die Hauruck-Methode der Mangoldschen Zeitreise auch nicht sonderlich glaubhaft.

Aber letztlich wird der Film doch von soviel naiver Lust am Märchenerzählen getragen, daß er fast alle Gesetze des Genres mit einer hübschen Vision hinwegfegt. Und indem er den normativen Gegenwartskonformismus von Unverbindlichkeit, Genuß und Freizügigkeit geradezu subversiv verballhornt, gelingt es Mangold, ohne erhobenen Zeigefinger die Unerbittlichkeit der heutigen egozentrierten Moral dem Idealismus und der Romantik des viktorianischen Zeitalters gegenüberzustellen. Das erreicht zwar immer noch nicht die Qualität der Billy Wilder- und Howard Hawks-Komödien der vierziger und fünfziger Jahre, ist aber allemal besser als die meisten nach Schema F unerträglich gute Laune verbreitenden "Komödien".


 
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