© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/02 26. April 2002

 
Dracula und kleine Vampire
Werner Olles

Kein anderes Schattenwesen hat die Aufmerksamkeit von Künstlern so sehr auf sich gezogen wie der Vampir. Er wurzelt tief in Sagen, Legenden und Volksmärchen, die bis weit in die Antike zurückreichen. Als gelungenste Projektion menschlicher Urängste ist er ein Wesen mit philosophischem und psychologischem Tiefgang und gleichzeitig die Verkörperung des Bösen, Unheimlichen, Unbekannten und Irrationalen.

Die jetzt zu Ende gehende Ausstellung "Von Dracula und kleinen Vampiren - Flatterhaftes aus Film und Literatur" im Gotischen Haus in Bad Homburg ist der Faszination des Vampirismus in der Kulturgeschichte des Abendlandes auf den Grund gegangen. In dem unsterblichen Mythos von Tod und Schuld, Sexualität und Macht existiert zumindest auf der mystischen Ebene jene dunkle Vitalität, die Bram Stoker, der Schöpfer des Dracula-Motivs, als Widerspruch zwischen alten Mythen und moderner Technik und Naturwissenschaft deutete. Mit der zunehmenden Atheisierung der Welt hat sich aber auch der Glaube an die dämonische Kraft des Vampirs, der ja ein zutiefst theologisches Wesen ist, dramatisch verändert.

Stoker erzählt in seinem legendären Vampirroman aus dem Jahre 1897 die Geschichte des Grafen Dracula, jenes transsilvanischen Fürsten der Walachei und der Finsternis, der als Vlad Tepes, der Pfähler und als Verteidiger der Christenheit im 15. Jahrhundert mit seinem ebenso blutigen wie heldenhaften Kampf gegen die Türken zu einiger Berühmtheit gelangte. 200 Jahre später war der Vampirismus bereits zum Streit philosophischer Debatten geworden, an denen sich selbst Voltaire beteiligte. 1872 erschien Sheridan Le Fanus Erzählung "Carmilla", eine typische gothic novel, die zum großen Vorbild für Stokers "Dracula" wurde.

Zahllose weitere Bücher und weit über 600 Filme zu der Thematik folgten diesen Klassikern, darunter Werner Herzogs "Nosferatu" und Francis Ford Coppolas "Bram Stokers Dracula", die beide in der Ausstellung gezeigt wurden. Auch moderne Autoren wie Ray Bradbury, Robert Bloch, Theodor Sturgen, Anne Rice und Stephen King haben sich des Vampir-Themas angenommen. Manche Schauspieler wie Bela Lugosi und Christopher Lee wurden allein dank ihrer "Nosferatu"- und "Dracula"-Rollen zu Weltstars. Und zunehmend bedienen Musicals, Theaterstücke und TV-Serien, aber auch die Kinderliteratur ("Der kleine Vampir und Graf Dracula") mit wachsendem Erfolg diesen rationalistischsten und kommerziell erfolgreichsten aller Aberglauben.


 
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