© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/02 03. Mai 2002

 
Börsenverein als Zensor
von Thorsten Thaler

Jetzt will man offenbar auch den Börsenverein des Deutschen Buchhandels für die political correctness instrumentalisieren. Laut einem Antrag des Vorstandes für die am 8. Mai in Braunschweig stattfindende Hauptversammlung soll von dieser eine Satzungsänderung beschlossen werden, wonach es zu den Pflichten der Mitglieder gehört, "Gegenstände des Buchhandels (...) nur im Einklang mit dem Grundgesetz sowie mit dem Strafgesetzbuch anzukündigen, zu veröffentlichen oder zu verbreiten". Mitglieder, die dagegen verstoßen, sollen abgemahnt, mit Geldbußen belegt oder gleich aus dem Börsenverein ausgeschlossen werden. Nach der bislang gültigen Satzung ist ein Ausschluß nur möglich, wenn in einem dieser Fälle ein rechstkräftiges Urteil vorliegt.

Sollte der Antrag durchgehen, würde sich der Börsenverein - wie schon einmal in seiner Geschichte, nämlich 1933 - aus einer Berufsorganisation in eine Zensurbehörde von großer Durchschlagskraft verwandeln. Schließlich hängen gerade viele kleinere Verlage von seinem Wohlwollen ab, von den Werbemöglichkeiten, die er bietet, von der Zulassung zur Frankfurter Buchmesse usw.

Aber wer entscheidet eigentlich, ob ein Buch "mit dem Grundgesetz übereinstimmt" oder nicht? Sind dafür nicht Verfassungsgerichte da, die es oft schwer genug haben mit dieser schwierigen Materie? Der Antrag des Börsenvereins-Vorstandes ist schlichtweg Amtsanmaßung. Und er ist Ausdruck einer üblen totalitären Gesinnung, der Verleger und Buchhändler zuallerletzt nachgeben sollten. Wehret den Anfängen!


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen