© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/02 03. Mai 2002

 
WIRTSCHAFT
Bröckelnde Tarifgemeinde
Bernd-Thomas Ramb

Stell dir vor, es gibt Tarifverhandlungen und niemand geht hin!" So könnte man den Trend beschreiben, sich den gleichmacherischen Folgen der flächendeckend wirksamen Tarifverhandlungen zu entziehen. Insbesondere in den neuen Bundesländern lassen sich immer weniger Firmen auf das Kostenrisiko ein, das mit einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband verbunden ist. Für alle Mitgliedsbetriebe ist das ausgehandelte Tarifergebnis verpflichtend, nicht jeder Betrieb kann sich jedoch teure Lohnabschlüsse leisten. Waren im Jahre 1990 noch 1.192 Unternehmen in dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall zusammengeschlossen, sank diese Zahl zehn Jahre später auf 426 Betriebe.

Es sind meist kleine Firmen, die sich der organisierten Lohngestaltung entziehen. Großbetriebe, allen voran die mit kleinem Lagerbestand und hoher Lieferverpflichtung, können überzogene Lohnerhöhungen besser verkraften, als die kleinen und mittleren, denen dann schnell die Schließung droht. Das haben in diesen Betrieben auch die Arbeitnehmer erkannt. Sie geben sich mit bescheideneren Einkommenserhöhungen zufrieden, wenn nur ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt. Damit aber fällt ein weiterer Grund, noch in der Gewerkschaft zu verbleiben. Flächendeckende Tarifverhandlungen entlarven sich immer mehr als Dinosaurier des Arbeitskampfes und ihr Ende ist absehbar. So fein lassen sich die Tarifabschlüsse in groben Großverhandlungen nicht differenzieren, daß die spezifischen Belange der Einzelbetriebe berücksichtigt sind.

Einzelverhandlungen, allenfalls mit der Vereinbarung von Ortstarifen, sind nicht nur das Gebot der Stunde, sondern auch das Modell der Zukunft. Alles andere sind Schaukämpfe um die Daseinsberechtigung von Großfunktionären - auf Arbeitnehmer- wie auch auf der Arbeitgeberseite.


 
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