© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002


Ein Mord und die Medien
Die Todesschüsse von Hilversum
Dieter Stein

Viel ist nach dem Massaker an einem Erfurter Gymnasium von der Rolle der Medien im Zusammenhang mit zunehmender Jugendgewalt die Rede. Nach dem schockierenden Attentat eines 19jährigen Schülers, der offenbar aus Rache und Haß auf seine Schule 16 Menschen umgebracht hat, berief Bundeskanzler Schröder einen Runden Tisch der Fernseh-Verantwortlichen ein, um über Gewaltdarstellungen in den Medien zu beraten.

Schuldige allein bei den Produzenten und Vertreibern von Kinofilmen und Computerspielen zu suchen, führt nicht viel weiter. Die eigentliche Frage ist, weshalb es überhaupt ein ethisches, kulturelles Vakuum in den westlichen Gesellschaften und insbesondere in Deutschland gibt, das von Verdummung und Genußsucht ausgefüllt wird, einer Desorientierung, die sich vor dem Fernseher und dem Computer auslebt.

Könnte es nicht sein, daß es bei uns nicht an Gesetzen, Kontrolle, Überwachung, Betreuung, Versorgung mangelt, sondern vielmehr an einem normalen Maß an kultureller Orientierung, Führung, Respekt und Disziplin?

Da krachen die Todesschüsse von Hilversum. Wie reagiert nun die kritische Öffentlichkeit auf den feigen Mord an Pim Fortuyn, dem schillernden Populisten, der sich anschickte, bei den kommenden Parlamentswahlen das niederländische Parteiensystem endgültig auf den Kopf zu stellen? Nur verhalten ist von Bestürzung über die Liquidierung eines unbequemen Politikers auf offener Straße die Rede. "Man stelle sich vor, ein Rechtsextremer hätte, Gott behüte, einem Politiker anderer Couleur Gewalt angetan - ein Lichtermeer wider die politische Gewalt würde brennen, vom Heldenplatz bis auf die Champs Elysées." Dies schreibt Andreas Unterberg, Chefredakteur der bürgerlichen Presse in Österreich.

Meinungsführende Medien sind in Europa mitverantwortlich für ein geistiges Klima, das Andersdenkende von "Rechts" zu Unmenschen erklärt. Aus Pim Fortuyn machten Medien einen holländischen Le Pen, aus Le Pen machten sie einen zweiten Hitler. Hat der "Aufstand der Anständigen" in Holland einen willigen Vollstrecker gefunden?

Manchmal ist es nur eine Graffitidose, mit der einem Konservativen "Nazi-Schwein" auf die Hausfassade gesprüht wird. Dann ist es ein Pflasterstein, der durch das Wohnzimmerfenster fliegt. Wenig später geht das Auto eines von Medien als "geistigen Brandstifter" geschmähten konservativen Politikers in Flammen auf. Dann wird ein "rechter" Referent, den Zeitungen als "Rechtsextremisten" diffamieren, auf offener Straße zusammengeschlagen.

Jemanden willkürlich als "Rechtsextremisten" zu bezeichnen, heißt, ihn aus der Gemeinschaft auszuschließen. Es bedeutet eine Feinderklärung. Es ist die moderne Art, Menschen für vogelfrei zu erklären. Der Tod Pim Fortuyns sollte eine Mahnung zur Ächtung politischer Gewalt und zur Achtung Andersdenkender sein.


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