© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Der Ausverkauf Kroatiens läuft
Carl Gustaf Ströhm

Einen politisch nicht korrekten Ausrutscher erlaubte sich jüngst eine beliebte Spott-Serie in den ansonsten (unter der Linksregierung) gleichgeschalteten Tageszeitungen Kroatiens. Hinter einem Schreibtisch, auf dem sich Pläne dalmatinischer Inseln befinden, sitzt ein Mann im Hemd mit rot-weißem kroatischen Schachbrett-Wappen. Die Sprechblase aus seinem Munde lautet: "Kommt, ihr Ausländer, kauft noch einige von diesen Inseln und Wäldern! Aber danach werden wir Revolution machen und euch alles wieder wegnehmen!" Die Bildunterschrift lautete: "Die entscheidende Phase beim Ausverkauf Kroatiens".

Eine andere Karikatur zeigte einen Ansager vor einer dicken Ziegelmauer mit EU-Emblem - dem kreisförmigen Sternenkranz. Der Moderator: "Und jetzt wird uns der bekannte Illusionist etwas vorführen, wovon einem die Haare zu Berge stehen...." Der Illusionist und Zauberkünstler: "Ich werde durch diese Wand hindurchgehen und in die Europäische Union eintreten." Die letzte Sequenz zeigt den in die EU Durchgebrochenen mit Schweißperlen auf der Stirn. Dazu die Sprechblase "Jetzt wo ich (in die EU) eingetreten bin, weiß ich plötzlich nicht, was ich hier eigentlich soll."

Solche karikaturistischen Analysen spiegeln die tiefe Skepsis vieler Kroaten gegenüber dem Westen und seinen Institutionen wieder. Während die wendekommunistische Mitte-Links-Koalition das industrielle und betriebliche "Familiensilber" an ausländische Interessenten verscheuert, beschleicht den gebeutelten Durchschnittskroaten ein Gefühl absoluter Machtlosigkeit.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Das Bankwesen Kroatiens befindet sich bereits zu 90 Prozent in ausländischem Eigentum. Der Volkswirt Drazen Kalogjera vom Agramer Ökonomischen Institut bezeichnete das als "katastrophal". Wäre das Bruttosozialprodukt Kroatiens auf ähnlichem Niveau wie jenes der Niederlande oder Belgiens, meint der Experte, wäre der Verkauf ans Ausland ganz normal und in Ordnung. Aber Kroatien befindet sich ganz am Boden der europäischen Skala. Damit erhalten die ausländischen Banken eine überproportionale Machtposition. Diese Banken wollten ihr wirtschaftliches Risiko möglichst verringern.

Damit werde aber der herrschenden Stagnation noch Vorschub geleistet. Kroatien brauche einen "großen Entwicklungsschritt" - der sei aber nicht möglich, wenn man den ganzen Markt sich selbst überlasse. Die Verkäufe heimischer Banken in Kroation vollziehen sich Schlag auf Schlag. Dieser Tage wird die "Splitska Banka" (Dalmatien) von der bayrischen Hypo-Vereinsbank übernommen. Die durch Devisenspekulationen knapp am Bankrott vorbeigeschrammte "Rijecka Banka" (Istrien) wurde hingegen von der Bayerischen Landesbank (die Mehrheitseigentümerin war) eiligst an den kroatischen Staat zurückverkauft.

Der ohnedies gebeutelte kroatische Steuerzahler übernahm die Abdeckung der entsprechenden Verluste. Und prompt stand schon der nächste Käufer vor der Tür: Die "Erste Bank" aus Wien übernimmt das Kommando. Aus einer Fusion soll die "Nova Banka" entstehen. Eigentümer: Der auch schon in Bulgarien tätige britische "Charlemagne Capital Fund".

Die ausländischen Banken wollen in Kroatien gut und möglichst ohne Risiko verdienen. Kroatischen Unternehmen werden enorm teure Kredite angeboten. Die Entwicklung der Wirtschaft, des Mittelstandes gehört für die ausländischen Finanzinstitute nicht zu den Prioritäten. Ein kroatisches Trauerspiel.


 
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