© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002

 
WIRTSCHAFT
Eichels Lottogewinn
Bernd-Thomas Ramb

Wie die Ankündigung eines Lottogewinns muß es Fi-nanzminister Eichel vorgekommen sein, als sich die ersten Gerüchte über ein märchenhaftes Steuereinnahmenplus in diesem Jahr verbreiteten. Noch bevor die Steuerschätzungskommission Mitte Mai zusammentritt, um die diesjährigen Staatseinnahmen hochzurechnen, wurden Prognosen laut, die letzten Veranschlagungen vom November 2001 könnten um mehr als 30 Milliarden Euro nach oben korrigiert werden. Statt 462,5 Milliarden würden 495,6 Milliarden Euro an Staatseinnahmen erzielt, ein "Kurssprung" von sagenhaften 7,16 Prozent. Das "Kleingedruckte" ging dabei allerdings fast verloren: Wenn die Steuerquote des Staates fast 24 Prozent erreicht und der dauererwartete Konjunkturaufschwung nicht wieder ausbleibt.

Hans Eichel tut gut daran, die enthusiastischen Visionen herunterzuspielen. Er rechnet vorerst mit gegenüber dem Vorjahr gleichbleibenden Steuereinnahmen. Sollte tatsächlich das Staatseinkommen höher ausfallen, wäre das privat bewährte Verhalten zu empfehlen, unvorhergesehene Zusatzeinkommen zunächst als willkommene Chance zu begreifen, bestehende Schuldenberge abzubauen. Für die Öffentliche Hand ist solch zukunftsorientiertes Handeln natürlich schwer nachzuvollziehen. Noch dazu in einem Wahljahr, in dem es regierungsenttäuschte Wähler wiederzugewinnen gilt. Regierungen neigen nun einmal dazu, den höchsten Erwartungswert an Einnahmen fest als Ausgabe einzuplanen. Vorsicht ist die Mutter der Redlichen, aber auch der Wahlverlierer. Aus dieser prekären Situation können nur die Finanzexperten der Steuerschätzung helfen, indem sie die Unsicherheit der Schätzwerte deutlich ansprechen. Auch wenn die positiven Erträge möglicherweise einer neuen Regierung zufallen.


 
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