© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   21/02 17. Mai 2002


Einig im Zwist
Europas Rechtsparteien sind trotz nationaler Erfolge noch lange nicht bündnisfähig
Andreas Mölzer

Eines stellt sich zunehmend her aus: Es gibt quer durch Europa ein Wählerpotential von rund 20 Prozent für deklariert rechte Parteien. Für identitäre Gruppierungen, die EU-skeptisch sind und eine kritische Einstellung gegenüber der wachsenden Migration und der multikulturellen Gesellschaft pflegen.

Le Pens Front National in Frankreich, der Vlaams Blok in Belgien, die Freiheitlichen in Österreich, die Alleanza Nazionale (AN) und die Lega Nord in Italien, die Volkspartei (CDS-PP) von Paulo Portas in Portugal oder Pia Kjærsgaards Volkspartei (DF) in Dänemark - sie alle haben völlig unterschiedliche historische Wurzeln. Diese Geschichte besteht auch aus den nationalen Antagonismen der europäischen Völker untereinander. Dies macht eine grenzüberschreitende Kooperation innerhalb Europas schwer. Wer aber die wesentlichen Programmpunkte, insbesondere die Haltung gegenüber der europäischen Integration, der EU-Osterweiterung und der Ausländerproblematik betrachtet, kann erkennen, daß hier nahezu Deckungsgleichheit besteht.

Allein diese Tatsache würde eine nähere Zusammenarbeit, zumindest in politisch-taktischen Einzelfragen, innerhalb der EU erfordern. Bisher aber gibt es eine solche nur in äußerst schwachen Ansätzen. Nicht daß man so etwas wie eine rechte "Komintern" schaffen sollte, eine Basis für Meinungs- und Informationsaustausch zwischen den identitären und rechten Gruppierungen in Europa sollte es allerdings geben.

Solange sich aber die Ausgegrenzten gegenseitig ausgrenzen, solange sich einzelne Gruppierungen im Falle eines Wahlerfolges immer sofort von den anderen abgrenzen, geht das strategisch-taktische Kalkül der Linken auf: Paralysierte bürgerlich-konservative Gruppierungen sind mit dem Instrumentarium der political correctness daran zu hindern, sich mit ideologisch durchaus kompatiblen Rechtsparteien in Koalitionen zu regierungsfähigen Mehrheiten zu vereinen.

Österreichs Volkstribun Jörg Haider ist zweifellos so etwas wie ein Eisbrecher für populäre rechte Politik in Europa. Er hat sich nach dem Sensationserfolg Jean-Marie Le Pens im ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen offensichtlich mit Verurteilungen und abqualifizierenden Äußerungen äußerst zurückgehalten. Im Gegensatz zu seinen anderen Parteifreunden in der FPÖ. Aber auch er hat gemeint, seine Freiheitlichen seien mit dem Front National in wesentlichen programmatischen Punkten nicht wirklich kompatibel.

Andere von ihren Gegnern als "Rechtspopulisten" gescholtene Politiker Europas gehen da noch weiter. Der als "neuer Stern" am rechten Euro-Himmel gehandelte, und von einem linken Tierschützer ermordete Rotterdamer Soziologieprofessor und volksnahe Politiker Pim Fortuyn bezeichnete es gar als beleidigend, wenn man ihn mit Le Pen oder mit Haider verglich. Und Hamburgs "Richter Gnadenlos", Ronald Schill, verabscheut eigenem Bekunden nach "alles Rechte". Ob dies nun nur Kniefälle vor der political correctness sind oder wirklich innere Vorbehalte, bleibe dahingestellt. Tatsache ist, daß damit das lang gekannte Prinzip "die Ausgegrenzten grenzen einander aus" aufrecht bleibt.

Realistischerweise kann man zur Annahme kommen, daß erfolgreiche Rechtsparteien, wenn sie die Chance haben, an die Schaltstellen der Macht zu gelangen, zu regieren, diese hohen Bürden, die sie ohnedies nur unter harten Attacken der Linken erlangen können, nicht noch durch Kontakte mit stigmatisierten anderen rechten Parteien gefährden wollen. Das Bedürfnis, ungestört im jeweils eigenen Bereich agieren oder gar regieren zu können, ist größer als die Einsicht in die Notwendigkeit, einen europäischen Verbund aufzubauen. Dabei ist dem österreichischen Politwissenschaftler Fritz Plasser Recht zu geben, der dieser Tage in einer Analyse zur Ansicht kommt, daß die EU-Rechte bei gemeinsamem Antreten bei Wahlen zum Europaparlament überaus gute Chancen hätte, wenn sie die Differenzen hintenanstellen könnte und sich auf einige wenige Forderungen, etwa in der Sicherheits- und Ausländerpolitik, konzentrieren würde. Tatsächlich ist das wesentliche Motiv für die Bürger der meisten europäischen Staaten, eine sogenannte rechtspopulistische Partei zu wählen, die "Ausländerfrage" - genauer: Anwesenheit und Zuzug von Nichteuropäern.

Die Gefährdung der eigenen Identität und der eigenen gewachsenen Kultur durch überbordende Zuwanderung, aber auch die damit verbundene Sicherheitsproblematik, Kriminalität, Rauschgift, Schlepperunwesen und ähnliches stellen Themen dar, die von den vielgescholtenen Rechtspopulisten am glaubwürdigsten zur Diskussion gebracht werden. Verbunden mit einer gehörigen Portion Kritik an der Europäischen Union, an der Einheitswährung Euro und an der EU-Osterweiterung stellen diese Themen, von Frankreich bis Österreich, von Dänemark bis Italien, die Wähler-Magneten dar. Wenn sich europäische Rechtsparteien unter gemeinsamer Betonung dieser Themen und unter gemeinsamer Erarbeitung entsprechender Forderungen an die Wähler wenden könnten, würden sie nach Ansicht aller Demoskopen um die 20 Prozent der Stimmen ergattern.

So etwas wie eine "rechte Internationale" kann es aber dennoch nicht so schnell geben. Die Gründe dafür sind vielschichtig, liegen aber im wesentlichen in den unterschiedlichen historischen Wurzeln der betreffenden Bewegungen. Zum einen vertreten sie ja alle die jeweils eigene nationale Identität und stehen hinter den historischen Traditionen ihrer Nationen. Genau diese aber lassen die alten Gegensätze der blutigen und kriegerischen europäischen Geschichte nicht vergessen.

Wenn etwa eine Zusammenarbeit zwischen den österreichischen Freiheitlichen und den italienischen Postfaschisten (AN) angestrebt wird oder FPÖ-Chefin Riess-Passer bei ihrem Rom-Besuch AN-Chef und Vizepremier Gianfranco Fini herzt, kann dies nicht darüber hinweg täuschen, daß allein das Kapitel Südtirol zwischen beiden politischen Bewegungen steht.

Die Einverleibung des wunderschönen Landes südlich des Brenners in den italienischen Nationalstaat geschah nämlich im wesentlichen auf Betreiben des Faschismus. Die Faschisten waren die härtesten Verfechter der Italienisierung des Landes und somit Gegner jener deutsch-freiheitlichen Kräfte, die für die Autonomie Südtirols, wenn nicht gar für die Rückgliederung an Österreich eintraten. Andererseits regiert in Rom die regionalistische Lega Nord mit der zentralistischen AN - ein Vorbild für Europa?

 

Andreas Mölzer war Berater des ehemaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider. Heute ist der Publizist Chefredakteur der in Wien erscheinenden Wochenzeitung "Zur Zeit".


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