© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/02 17. Mai 2002

 
PRO&CONTRA
Schutzzölle einführen?
Manfred Ritter / André F. Lichtschlag

Auf die Anhänger weltweiter Zollfreiheit müssen die
vor kurzem von den USA beschlossenen Schutzzölle für Stahl wie ein Schock gewirkt haben. Daß die USA als "Motor" der WTO eine derartige "Sünde" begingen, mag zwar die Freihandels-Fundamentalisten erschüttern - in der Sache war dieser Protektionismus aber gerechtfertigt. Die Billigstahlimporte aus Asien und anderen Niedriglohnländern hätten die Stahlindustrie der USA und deren Arbeitsplätze unvermeidbar ruiniert. Offenbar haben Gewerkschaften und Stahlproduzenten genügend Druck auf die Regierung ausgeübt, um ihre berechtigten Interessen durchzusetzen. Dazu kam wohl noch ein militärischer Aspekt, der es verbot, die nationale Stahlproduktion untergehen zu lassen. Im Ergebnis ist dies eine vernünftige Arbeitsmarktpolitik. Sie sollte als Vorbild für andere Industriebereiche und alle Hochlohnländer dienen.

Der weltweite Wegfall aller Schutzzölle führt unvermeidbar zu einem weltweiten Konkurrenzkampf der Arbeitnehmer. Nationale Produktionsmonopole wird es in Zukunft nicht mehr geben, weil die großen Konzerne als Inhaber der Patente dort produzieren werden, wo es am billigsten ist. Und zu glauben "die anderen" wären nicht in der Lage die erforderlichen handwerklichen und intellektuellen Leistungen für die Produktion hochwertiger Güter aufzubringen, zeugt von Naivität oder Größenwahn.

Eine weltweite Nivellierung der Löhne nach unten ist daher die unvermeidbare Folge der Zollfreiheit. Das ungeheure Arbeitskräftepotential in Asien und anderen Niedriglohnregionen wird größere Lohnsteigerungen verhindern. Lediglich Schutzzölle können die Hochlohnländer daher längerfristig vor einem Absturz auf chinesisches Lohnniveau bewahren. Für die Hochlohnländer bieten sich Schutzzollregionen an, deren Binnenmärkte groß genug wären, um gut funktionierende Wirtschaftskreisläufe zu ermöglichen.

 

Manfred Ritter ist Regierungsdirektor. Er verfaßte mit Klaus Zeitler das Buch "Armut durch Globalisierung" (Leopold Stocker Verlag).

 

 

Wenn Ayn besser und schneller staubsaugt und Max besser und schneller Auto wäscht, dann profitieren beide davon, wenn Max auch Ayns Auto wäscht und Ayn auch die Wohnung von Max saugt. Sie müssen beide weniger Arbeitszeit investieren und dennoch sind Wohnung und Auto sauberer als ohne Tausch. Selbst wenn einer der beiden in beiden Tätigkeiten schlechter ist, so machen beide mit dem Handel einen Gewinn, sobald einer von beiden nur relativ weniger schlecht oder gut das eine macht als die andere Tätigkeit. Für Ökonomen eine simple Einsicht (Theorie komparativer Kostenvorteile), eine Einsicht, der sich Politiker standhaft verweigern. Immer noch werden durch "Schutz"-Zölle Anbieter vom heimischen Markt ferngehalten. Aber wenn bei einem Tausch beide gewinnen, dann müssen bei einer Tauschverhinderung beide demgegenüber verlieren.

Ein Beispiel: Polen produziert billigeren und besseren Stahl und Weizen als Frankreich. In Frankreich wird billiger und besser Käse und Atomstrom produziert. Von der BRD schweigen wir lieber, hier wird kaum noch etwas billiger oder besser produziert als andernorts. Polen und Frankreich würden beide von einem regen Austausch profitieren. Und jetzt kommt die französische Regierung (ob Le Pen, Chirac oder Jospin, alle sind sich einig) - und erhebt Zölle. Die Folge: Franzosen kaufen den eigenen teureren, schlechteren Stahl. Wie könnten sie günstiger Stahl produzieren? Indem sie Käse verarbeiten, ihn nach Polen schicken und von dort wie durch ein Wunder - das Wunder des freien Marktes - besseren und günstigeren Stahl erhalten als mit jeder anderen Produktionsmethode.

Ein Festhalten an konkurrenzunfähigen Industrien wird immer im eigenen Land bezahlt. Mit Mitteln, mit denen man es sich besser gutgehen läßt, als die Bürokratie durch Zölle zu mästen. Mit Zöllen auf Produkte der dritten Welt oder auf billige Arbeitskräfte beuten wir uns selbst bei dem aus, was wir (noch) ganz gut können.

 

André F. Lichtschlag ist Gründer und Herausgeber der Zeitschrift "eigentümlich frei" (Internet: www.eifrei.de ).


 
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