© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/02 17. Mai 2002

 
Außer Spesen nichts gewesen
Schill-Partei: Der Hamburger Bundesparteitag scheiterte wegen fehlender Beschlussfähigkeit
Jens Dorpmüller

Am Morgen des 11. Mai sah es erst noch ganz gut aus. Kleine Schlangen bildeten sich vor den Eingängen des von vielen Polizeikräften gesicherten Messezentrums in Hamburg. Erst nach der etwa einstündigen Einführungsrede des Parteivorsitzenden Ronald Schill wurde den Zuhörern mitgeteilt, daß das satzungsmäßig vorgeschriebene 25-Prozent-Quorum von anwesenden Parteimitgliedern nicht erreicht wurde. Von den nötigen 1.285 Mitgliedern waren nur 1.039 anwesend - der Bundesparteitag war nicht beschlußfähig.

Noch stärker als diese Enttäuschung erregte jedoch die Frage die Gemüter, ob die Schill-Partei zur Bundestagwahl antreten werde. Sichtbar wurde dies durch starken, spontan ausbrechenden Beifall der Delegierten, als Schill verkündete: "Ich würde gerne zur Bundestagswahl antreten", um ihm die Fortsetzung des Satzes mit dem Wörtchen "wenn" unmöglich zu machen. Nach dieser erzwungenen Pause schilderte Schill personelle, zeitliche, organisatorische und finanzielle Hürden, wodurch sich nach Abwägung der Chancen und Risiken ein Verzicht auf ein Antreten als die eindeutig sinnvollere Option ergeben würde. Zusätzliches Gewicht bekam diese klare Absage Schills durch den kategorischen Ausschluß seiner Spitzenkandidatur, falls sich die Partei anders entscheiden würde. Er wolle nicht als Verantwortlicher gelten, wenn es wegen eines Scheiterns der Partei Rechtsstaatlicher Offensive an der Fünf-Prozent-Hürde zu einem Wahlsieg von Rot-Grün käme, da Edmund Stoibers Union in weiten Bereichen unterstützenswertere Positionen verfolge.

Diese Absage Schills an eine bundespolitische Option erklärten einige Delegierte jedoch mit parteipolitischem Druck der Hamburger Koalitionspartner. Aus der Union etwa, welche sich insbesondere durch die aktive polizeiliche Unterstützung des Bayerischen Innenministers Günther Beckstein bereits frühzeitig einen starken Einfluß auf die Schill-Partei sicherte. Die FDP soll im Falle eines Antretens zur Bundestagswahl sogar mit dem Bruch der Koalition gedroht haben. Außerdem habe auch der Axel-Springer-Verlag unmißverständlich deutlich gemacht, daß in diesem Fall die Verlagspolitik bezüglich der Schill-Partei grundlegend verändert würde.

Um diesen möglichen Konflikten aus dem Wege zu gehen, war die fehlende Beschlußfähigkeit des Parteitages für die Parteiführung nicht unbedingt bedauernswert, denn viele der aus ganz Deutschland angereisten Schill-Mitglieder hätten sich trotz aller Widrigkeiten eher für eine Teilnahme an den Bundestagswahlen ausgesprochen. So hat sich Dieter Mückenberger, Wortführer und eventuell künftiger Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, der Anfang Juni mit 1.000 Mitgliedern gegründet werden soll, entsprechend geäußert. "Wir haben die Absicht, bundesweit anzutreten." Horst Köpken, Koordinator in Niedersachsen, äußerte sich nach dem Parteitag noch deutlicher: "Herr Schill soll die Wahrheit sagen. Wenn er seine Aufgabe für die nächsten drei Jahre in Hamburg sieht, dann soll er uns bundesweit kein Bein stellen." Ein Wahlkampfkonzept werde bereits ausgearbeitet. In Niedersachsen soll am 8. Juni mit 800 Mitgliedern der drittgrößte Landesverband gegründet werden.

Ein Parteimitglied, das aus Karlsruhe zum Parteitag angereist war, äußerte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT den Verdacht, daß die Beschlußunfähigkeit durch die mangelhafte Mobilisierung des Hamburger Landesverbandes - von den etwa 1.200 Mitgliedern sind nur 200 auf dem Parteitag erschienen - bewußt einkalkuliert worden ist. "Ich hatte große Wut im Bauch und fühlte mich verschaukelt."

Auf jeden Fall dürfte sich die Parteiführung durchgesetzt haben, denn nach dem Nachfolgeparteitag, der nach Aussage der Parteisprecherin Karina Weber wahrscheinlich erst in vier Wochen stattfinden wird, könne die Anmeldefrist für die Bundestagswahl kaum eingehalten werden. "Allein aus zeitlichen Gründen klappt es mit der Wahl dann nicht mehr", sagte Weber. Zumindest wird es dann wegen des fehlenden 25-Prozent-Quorums zur Beschlußfähigkeit reichen.


 
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