© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/02 17. Mai 2002


"Zeit für Vernunft"

Herr Edmonds, Sie sind Lehrer in Trakehnen, wie kommt ein Engländer dazu, an einer deutschen Schule in Ostpreußen zu unterrichten?

Edmonds: Ich kenne die traurige Geschichte der Rußlanddeutschen, verursacht durch die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und möchte durch meinen Einsatz ein bißchen Wiedergutmachung von Seiten Englands leisten.

Das ist sehr ungewöhnlich, denn die meisten Engländer dürften wohl kaum etwas vom Schicksal der Deutschen im Osten wissen, geschweige denn sich verantwortlich fühlen.

Edmonds: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was der durchschnittliche Engländer über Ostpreußen denkt, ich weiß nur, was ich denke.

Wie kam der Kontakt zustande?

Edmonds: Vor einigen Jahren las ich zum ersten Mal etwas über die Deutsche Schule Trakehnen und interessierte mich sogleich dafür.

Waren Sie in England Lehrer für das Fach Deutsch?

Edmonds: Nein, von Beruf bin ich Techniker. Ich habe in der Schule Deutsch gelernt und mich für die Sprache interessiert. In Trakehnen unterrichte ich jetzt allerdings in der Tat die deutsche Sprache.

Wie reagieren Ihre Verwandten in England darauf, daß Sie für die Deutschen in Ostpreußen arbeiten?

Edmonds: Sie haben gesagt: "Wenn Du das tun willst, dann tue es."

Gibt es keine Vorwürfe, für den alten Feind zu arbeiten und an den Ergebnissen des Zweiten Weltkriegs herumzulaborieren?

Edmonds: Das zwanzigste Jahrhundert war doch für uns alle eine Katastrophe. Allein im Ersten Weltkrieg sind beinahe eine Million Briten gefallen. Und warum? Man bekommt keine Antwort. Zwanzig Jahre später gab es erneut Krieg. Es ist also an der Zeit für ein bißchen Vernunft. Unsere Arbeit in Trakehnen steht unter dem Motto "Freundschaft unter den Völkern".

Wie würden Ihre Landsleute reagieren, wenn das russisch annektierte Ostpreußen an die Bundesrepublik Deutschland fiele?

Edmonds: Ich glaube nicht, daß das für die Briten ein Problem wäre, denn Ostpreußen war Jahrhunderte lang ein Teil Deutschlands.

Wie sehen Sie das von völliger Entfremdung geprägte Verhältnis der Deutschen zu Ostpreußen?

Edmonds: Ich weiß nicht genau, wie das der durchschnittliche Deutsche sieht, ich weiß aber, daß Ostpreußen achthundert Jahre lang zu Deutschland gehört hat. Wir haben in den letzten zwölf Jahren so viele Wunder gesehen: Das Ende des Kalten Krieges, den Fall der Mauer, die Wiedervereinigung, und nun sind wir hier in Ostpreußen. Gott sei Dank ist die Zeit der Konfrontation vorbei.

In den deutschen Medien werden Projekte wie die Deutsche Schule totgeschwiegen oder als "Regermanisierung" heftig kritisiert.

Edmonds: Die Frage ist doch, wer kritisiert das? Das einfache Volk? Nein! Und außerdem zeigt unser Projekt, daß Deutsche und Russen friedlich zusammenleben können.

Sind Sie von der deutschen Politik enttäuscht, weil sie sich weder um den Aufbau Ostpreußens noch um eine Rückgliederung des Landes bemüht?

Edmonds: Erinnern Sie sich nur an das Jahr 1989/90. Die Politiker wollten doch damals alle nicht die Veränderungen in Europa. Und Sie fragen, ob ich von den Politikern enttäuscht bin?

 

Richard Edmonds, 59, ist Deutschlehrer an der Deutschen Schule Trakehnen.


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