© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/02 24. Mai 2002

 
Stabilität in Gefahr
Währungsunion: Vom schlichten Teuro zur Teuro-Hyperinflation
Bernd-Thomas Ramb

Wie war das noch damals mit dem Stabilitätspakt? Kurz vor dem Beschluß zur "unwiderruflichen" Einführung des Euro wurden die Mahner und Kritiker der potentiell inflationären Währung mit dem Versprechen beschwichtigt, alle Teilnehmerstaaten der Europäischen Währungsunion hätten mit empfindlichen Strafen zu rechnen, wenn ihre Anstrengungen erlahmen sollten, schuldenfreie Staatshaushalte vorzulegen. Nun bestätigen die Europäische Kommission und das Europaparlament, was seinerzeit zahlreiche unabhängige Wirtschaftsprofessoren prophezeit hatten: "Es besteht die Gefahr, daß der Stabilitäts- und Wachstumspakt im Zusammenhang mit Wahlkämpfen und nationalen Versprechungen aufgeweicht wird.

Erstes Anzeichen bot bereits der verhinderte "Blaue Brief", den Deutschland aufgrund seiner für dieses Jahr geplanten Neuverschuldung von 2,8 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts erhalten sollte. Die mit Strafen bewehrte Grenze der EU liegt bei 3 Prozent. Schröder und Eichel wiesen aus wahltaktischen Gründen im Verbund mit den anderen EU-Regierungschefs die EU-Kommission in ihre Ohnmachtschranken. Das laue Versprechen der Bundesregierung, dafür schon bis 2004, also zwei Jahre früher als ursprünglich geplant, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen zu wollen, muß unter der Rubrik "nicht einhaltbar" abgelegt werden. Die kürzlich veröffentlichten Schätzungen der horrenden Steuerausfälle - in den nächsten vier Jahren müssen Bund, Länder und Gemeinden mit 65 Milliarden Euro weniger als erwartet auskommen - bestätigen die Skepsis, auf absehbare Zeit die Jahrhundertkrankheit Staatsverschuldung besiegen zu können.

Machttaktisch steht die SPD-Regierung dennoch glänzend dar. Der diesjährige Steuerausfall von 5,5 Milliarden Euro läßt sich weitgehend durch EU-Rückzahlungen und Haushaltsstreckungen verkraften. Schwieriger werden die beiden Folgejahre mit Steuerausfällen in Höhe von jeweils fast 18 Milliarden Euro. Kommt es zum Regierungswechsel, erhalten die Unionsparteien den "Schwarzen Peter". Deren eventuell beschlossenen Spar- oder Steuerkürzungsprogramme lassen sich dann leicht mit dem Knüppel der "sozialen Kälte" prügeln. Wird die Union jedoch dem von ihr selbst kreierten Stabilitätspakt untreu, kann die Opposition mit einer finanzpolitischen Scheinmoral glänzen. Schließlich war ihr Finanzminister als Sparapostel bekannt. So kann die SPD vom direkten Wiederaufstieg zur Regierungsmacht träumen. Bleibt die SPD dagegen an der Macht, lassen sich künftige Staatsverschuldungsverfehlungen trefflich mit dem Fingerzeig auf andere EU-Länder entschuldigen. Schließlich steht Deutschland nicht allein auf der schwarzen Liste der EU-Kommission.

Auch Frankreich, Italien und Portugal haben Abmahnungen wegen überhöhter Staatsneuverschuldung erhalten. Frankreichs frisch wiedergewählter Staatspräsident Chirac hat bereits verkündet, daß sich die Grande Nation keinesfalls an die kleinlichen Vorgaben des Stabilitätspakts zu halten gedenkt, wenn es die nationalen Wirtschaftsinteressen der Franzosen zu wahren gilt. Statt 2004 will man erst drei Jahre später einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren. Ähnliches hat auch Großbritannien angekündigt. Die Briten zeigen zwar noch keine großen Ambitionen, dem Euroverbund beizutreten, der Widerstand schwindet jedoch von Tag zu Tag und eine EU-konforme Haushaltspolitik wäre unvermeidbare Voraussetzung. Daß Italien sich nicht dem Stabilitätspakt unterwerfen würde, war allen Beteiligten eigentlich von Anfang an klar. Selbst, ja gerade unter Berlusconi, der bei einer linksdominierten Opposition schon jetzt unter der Keule der "sozialen Kälte" leidet, läßt sich die italienische Staatsschuldentradition kaum beseitigen.

Die steigende staatliche Neuverschuldung im Euroland ist damit unvermeidbar. Der Stabilitätspakt wird zur vorhergesagten Makulatur. Zwangsläufige Folge wird die beschleunigte Entwertung des Euros. Schon jetzt muß die Europäische Zentralbank eingestehen, daß auch in diesem Jahr - und damit zum vierten Mal in der vierjährigen Geschichte des Euros - das Stabilitätsziel verfehlt wird, die Euro-Inflation unter zwei Prozent zu halten. Mit anderen Worten, noch nie hat der Euro ein inflationsfreies Jahr vorweisen können. Die derzeitige Inflationsrate von 2,4 Prozent im EU-Durchschnitt wird noch gebremst durch die relativ moderate Inflation in Deutschland (1,6 Prozent). Der überhöhte Tarifabschluß dürfte allerdings binnen kurzer Zeit zu einem erheblichen Anstieg führen. In Spanien liegt die Inflation bereits bei 3,7, in Irland bei 5 Prozent.

Eigentlich müßte die Europäische Zentralbank jetzt die Zinsbremse ziehen und den Basiszins heraufsetzen. Was für Irland und Spanien dringend notwendig ist, würde sich jedoch auf Deutschland, Frankreich und andere verheerend auswirken. Die zarten Ansätze einer Konjunkturerholung würden sofort im Keim erstickt. Vor allem erhöhen sich dadurch die Zinszahlungen auf Staatsschulden. Die zusätzliche Belastung der Staatshaushalte würde eine zusätzliche Schuldenaufnahme zur Zahlung der Schuldzinsen bewirken und eine Schulden-Inflations-Spirale in Gang setzen. Die Folge ist aus der Geschichte bekannt: Hyperinflation.


 
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