© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/02 24. Mai 2002

 
Eine Hochburg wird verspielt
Saarbrücken: Oberbürgermeister Hoffmann ist wegen Untreue verurteilt worden
Christian Roth

Im Namen des Volkes: Der Angeklagte wird wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Geldbuße von 200 Tagessätzen zu jeweils 125 Euro verurteilt." Hajo Hoffmann reagierte ungerührt. Das Urteil am 15. Mai vor dem Amtsgericht Saarbrücken konnte den Oberbürgermeister der saarländischen Landeshauptstadt nicht aus der Fassung bringen. 33 Verhandlungstage hatte der SPD-Politiker Gelegenheit, sich gegen die erhobenen Vorwürfe zu wehren. Er tat und tut dies immer noch mit Vehemenz. Er werde in Berufung gehen und einen Rücktritt lehne er nach wie vor kategorisch ab.

Der Präsident des Deutschen Städtetages kämpft seit dem 20. Mai 1999 verbissen um seine Ämter. Damals tauchten Fahnder des Landeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft im Saarbrücker Rathaus und in Hoffmanns Privathaus auf, präsentierten Durchsuchungsbefehle wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil der städtischen Entwicklungs- und Sanierungsgesellschaft ESG. Bauleistungen am Haus des Oberbürgermeisters für 25.000 Euro seien 1996 zu Lasten der ESG gegangen. Zudem soll die Gesellschaft die Kosten für Gartenarbeiten auf Hoffmanns Anwesen übernommen haben. Seitdem kriselt es in der saarländischen Landeshauptstadt und die anfängliche Provinzposse entwickelte sich Ende des Jahres 2000 zu einem handfesten Skandal, als der ehemalige ESG-Geschäftsführer Alfred Kirst in seinem Haus in der Toskana festgenommen wurde. Der Vorwurf: Untreue im großen Stil, wie die Verbuchung sachfremder Leistungen an Dritte zu Lasten der ESG. Unter anderem für OB Hoffmann. Der bleibt hartnäckig, obwohl er als Oberbürgermeister zeitweilig auch die Funktion des ESG-Aufsichtsratsvorsitzenden innehatte. "Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Für mich gilt auch in der Berufung die Unschuldvermutung", sagte er am Mittwoch vergangener Woche und sprach von Vorverurteilungen. Die Strafrichterin sah dies anders. In ihrer eineinhalbstündigen Urteilsbegründung sagte sie, Hoffmann habe gewußt, daß die Kosten für die Arbeiten nicht ihm in Rechnung gestellt werden sollen und akzeptiert, daß die Summe auf Kosten anderer gehen solle.

Seine Partei bringt der zweifelsohne populäre Politiker nun in erhebliche Notstände. "Natürlich stehen wir zu ihm", wiederholt Landeschef Heiko Maas gebetsmühlenartig, doch hinter den Kulissen der Partei rumort es gewaltig. Denn nun droht der Partei der letzte Hoffnungsträger abhanden zu kommen. Vor gut einem Jahr wurde der Oberbürgermeister in einer Direktwahl bereits im ersten Wahlgang im Amt bestätigt und beim anschließenden Landesparteitag präsentierte Maas den strahlenden Wahlsieger als Mann der Zukunft. Der Triumph von Saarbrücken war Balsam auf die Wunden der Genossen, die 1999 nach 15 Regierungsjahren unter Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt vom Saar-Wähler in die Opposition verbannt wurden und nun hilflos mit ansehen müssen, wie Ministerpräsident Peter Müller in den Meinungsumfragen enteilt. Ein freigesprochener Hoffmann, so das ursprüngliche Kalkül der SPD-Führung, könnte im anstehenden Wahlkampf der Rettungsanker sein. Doch nun droht das Gegenteil einzutreten. Der Schuldspruch gegen Hoffmann wird - selbst im Falle eines anderslautenden Urteils in zweiter Instanz - als Makel an ihm haften bleiben. Der designierte Müller-Herausforderer Maas muß nun 2004 wohl alleine in die hoffnungslose Schlacht ziehen. Zudem ist die Personaldecke der Genossen mittlerweile so dünn, daß selbst ein Rücktritt Hoffmanns nicht für die Befreiung sorgen würde, da ein geeigneter Kandidat nicht in Sicht ist. Deswegen drängt die CDU-Mehrheit im Saarbrücker Stadtrat auf Neuwahlen. Dem amtierenden Finanzminister Peter Jacoby und dem ehemaligen Innenminister Klaus Meiser werden beste Chancen eingeräumt, die verbliebene rote Bastion endgültig zu knacken. 


 
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