© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/02 24. Mai 2002


Neue Technologien: Präimplantationsdiagnostik (PID)
Die Deutschen bleiben hart
Angelika Willig

Präimplantationsdiagnostik (PID) ist in Deutschland verboten. Und das ist auch gut so, meint die Bioethik-Kommission beim Deutschen Bundestag. Letzte Woche hat sie ihre ablehnende Empfehlung an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) übergeben. Am 14. Juni voraussichtlich soll eine große Debatte zum Thema PID im Bundestag stattfinden.

Was ist PID? Die Präimplantationsdiagnostik ist ein diagnostisches Verfahren zur Untersuchung des künstlich gezeugten Embryo auf genetisch bedingte Krankheiten. Sie wurde Anfang der neunziger Jahre entwickelt und wird vor allem in den USA, in Belgien, Australien und England angewandt. Weshalb gilt dieses Vorgehen bei uns als kriminell? Es sind zwei Einwände, die von der Ethik-Kommission kommen. Erstens werden bei der Untersuchung Embryonen verbraucht. Schlimmer, sie werden nicht nur wie bei der Stammzelltherapie gelagert und für gute Zwecke gebraucht, sondern auf Grund ihrer Fehlerhaftigkeit vernichtet. Als nächstes wird man das auch mit geborenen Schwerbehinderten machen, lautet das zweite Argument.

Die Befürchtung leuchtet ein. Doch wieso erlaubt und praktiziert man dann eine Pränataldiagnostik (PND) mit anschließendem Schwangerschaftsabbruch bei festgestellten Defekten? Wenn der Embryo bereits in der Gebärmutter eingenistet und gewachsen ist, soll seine "Vernichtung" erlaubt sein, im Vier-Zellen-Stadium hingegen vor der Einsetzung in die Gebärmutter (PID) darf die Frucht nicht angetastet werden? Der Umgang mit dem ungeborenen Menschen hat sich in den letzten Jahrzehnten so verändert, daß die Abwehrfront der Lebensschützer jetzt manchmal in logische Schwierigkeiten gerät.

Was ist bei der PID nach aktuellem Stand überhaupt zu erkennen? Monogene Defekte werden gesichtet, das heißt Krankheiten, die auf einzelne Gendefekte zurückzuführen sind wie das Down-Syndrom, die Bluterkrankheit, Mukoviszidose, Chorea Huntington und zystische Fibrose.

Das allgemein bekannte Down-Syndrom zeigt von außen das Bild eines netten, zufriedenen Behinderten und läßt sich daher hervorragend zur Argumentation gegen PID nutzen. Es geht aber auch um weniger nette Krankheiten, gegen die ein tolerantes gesellschaftliches Klima nur bedingt hilft. Chorea Huntington ist eine zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr einsetzende, zu fortschreitendem Verfall führende Nervenkrankheit mit schweren psychischen Schäden. Mukoviszidose ist eine allgemeine Sekretionsstörung mit Auswirkungen besonders auf die bronchialen Schleimdrüsen. Tägliches quälendes Abhusten schützt manchmal vor einer Erstickung schon im Jugendalter. Eine SPD-FDP entstammende Minderheit der Kommission spricht sich für die Erlaubnis bei Paaren mit hohem genetischen Risiko aus. Von den Lebensschützern wird das als eine "Aufweichung" abgelehnt.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen