© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/02 31. Mai 2002

 
Ein langes Leben in der Natur
Jubiläum: Der Tierfilmer und Naturschützer Heinz Sielmann feiert am Sonntag seinen 85. Geburtstag
Volker König

Neben Bernhard Grzimek und vielleicht noch Horst Stern ist es ein Name, der in Deutschland als Inbegriff des populären Tierfilmers gelten kann: Heinz Sielmann. Seine TV-Serie "Expeditionen ins Tierreich" zählte jahrelang zu den Straßenfegern des deutschen Fernsehens. Ob in Filmen wie "Zimmerleute des Waldes" oder "Quick, das Eichhörnchen" - einfühlsam und in der ihm eigenen markanten Weise stellte er den Fernsehzuschauern das Leben so mancher, oft bis dahin verborgen gebliebener Tierarten vor. Am 2. Juni wird Heinz Sielmann 85 Jahre alt.

Im Kriegsjahr 1917 wurde Heinz Sielmann in Rheydt bei Mönchengladbach geboren. 1924 zog seine Familie in die Heimat des Vaters nach Königsberg in Ostpreußen. Es waren die Natur und ihre Tiere, die den Heranwachsenden prägten. Bereits als Schüler verbrachte er mehr Zeit mit der Beobachtung von Wildtieren als damit, für den Unterricht zu pauken. Das Fundament für seinen späteren Berufsweg legte eine Mentor-Spiegelreflexkamera, die die Mutter dem gerade 17jährigen schenkte. Mit 21 Jahren, 1938, präsentierte Heinz Sielmann der Öffentlichkeit bereits seinen ersten Film "Vögel über Haff und Wiesen".

Nach Ausbruch des 2. Weltkrieges führten die Wirren der Zeit den jungen Sielmann von Posen, wo er einige Semester Zoologie studiert hatte, über Kreta und London, wo er verschiedene Filmprojekte realisieren konnte, bis nach Hamburg. Für das dortige "Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht" (FWU) drehte er in den Folgejahren zahlreiche Filme. Damals entstand sein erster Kinofilm "Lied der Wildbahn". 1951 heiratete Sielmann die junge Regieassistentin Inge Witt und folgte dem FWU nach München.

Anfang der fünfziger Jahre arbeitete Heinz Sielmann mit dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz an dessen Institut in Buldern: Hier entstanden in Zusammenarbeit mit dem aus Wien stammenden Tierethologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt Unterrichtsfilme wie "Zimmerleute des Waldes" und "Im Hamsterrevier". Sielmanns Traum, einmal Afrika zu bereisen, ging 1957 in Erfüllung. Im Auftrag des belgischen Königs Leopold III. führte er Regie bei dem Naturfilm "Herrscher des Urwalds" über Gorillas in Belgisch-Kongo.

Angespornt durch seine Erfolge wagte Heinz Sielmann 1960 den Schritt in die Selbständigkeit. Oft mehrjährige Reisen führten den Tierfilmer zu heute legendären Schauplätzen in Neu Guinea, auf den Galapagos-Inseln oder in der Antarktis. Hier dokumentierte er eindrucksvoll das Verhalten der Tiere - vom Thermometerhuhn bis zum Eisbär. Die von ihm geprägte NDR-Reihe "Expeditionen ins Tierreich" entwickelte sich zu einer Institution im deutschen Fernsehen: Seit den siebziger Jahren sendete die ARD mehr als 170 Folgen.

Auf seinen Unternehmungen mußte Sielmann mancherlei Entbehrungen und Gefahren auf sich nehmen, die er dank seines Optimismus aber erfolgreich meisterte. Nicht zuletzt seine Frau, stellt Sielmann fest, sei ihm dabei stets ein starker Partner gewesen und sei dies bis heute. Eine Aufgabe, die Inge Sielmann leicht fällt, denn "seine Begeisterungsfähigkeit und seine Freude an der Arbeit sind geradezu ansteckend." In seinen jüngsten Fernsehreihen "Sielmann 2000" (RTL), "Sielmann Report" und "Sielmanns Abenteuer Natur" (beide SAT 1) begann der Tierfilmer Bilanz zu ziehen, waren die langen Jahre intensiver Natur-Dokumentation doch zugleich eine Zeit, in der er zunehmende Naturzerstörung beobachtete.

Fragt man ihn heute nach seiner Zukunftsprognose für die Erde, so antwortet er: "Trotz der schlimmen Entwicklung, die sich momentan abzeichnet, bin ich zuversichtlich. Wir Menschen werden zu guter Letzt doch noch erkennen, daß wir unsere Maßlosigkeit einschränken müssen, wenn wir Mutter Erde nicht an den Abgrund wirtschaften wollen." Gleichwohl ist Sielmanns ökologische Kritik an vielen Mißständen prononciert. In seiner 1995 erschienenen Autobiographie "Mein Leben" prangerte Sielmann, der sich nie parteipolitisch engagierte, den technischen Mißbrauch der Schöpfung "als zweiten Sündenfall" an und nahm kein Blatt vor den Mund: "Nahezu alle ökologischen Probleme sind auf die immer schneller wachsende Erdbevölkerung zurückzuführen (...) Das Ökosystem Erde, ein kompliziertes Zusammenspiel vieler Systeme, kann nur eine bestimmte Belastung ertragen. Wird diese Kapazität überschritten, geraten die Systeme aus dem Gleichgewicht und werden dauerhaft geschädigt. Niemand kann genau sagen, wann das geschehen wird. Doch die Veränderungen kündigen sich bereits unmißverständlich an. Eindeutige Signale sind die Zerstörung der Ozonschicht, der dramatische Anstieg von CO2 und anderen Treibhausgasen, die Abholzung der Regenwälder, das Aussterben noch nicht einmal entdeckter Tier- und Pflanzenarten sowie der Zustand der nordischen und borealen Wälder."

Heinz Sielmann ist längst in einem Alter, in dem andere ihre Hände in den Schoß legen. Er jedoch tritt unermüdlich und engagiert für die Belange der Natur ein. Mit Elan und Vehemenz wendet er sich heute neuen Projekten, wie seiner 1994 gegründeten Stiftung, zu. Unter dem Motto "Naturschutz als positive Lebensphilosophie" führt er sein Lebenswerk in der Heinz Sielmann Stiftung fort. Drei Ziele verfolgt die gemeinnützige Organisation dabei: Naturnahe Landschaften erhalten, junge Menschen für den Naturschutz begeistern und das "Heinz Sielmann-Archiv des Naturfilms" aufbauen. Der Sitz der Stiftung befindet sich im niedersächsischen Duderstadt, einem der Orte seines filmischen Schaffens. Hier hielt sich Sielmann 1988 für die Dreharbeiten zu seinem Film "Tiere im Schatten der Grenze" auf.

Das Lebenswerk Heinz Sielmanns umfaßt bisher etwa 30 Unterrichtsfilme und rund 100 Dokumentationen. Seine großen Kinofilme wurden weltweit in 25 Sprachfassungen gezeigt. Er schrieb mehr als 30 Bücher. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen gehören fünf Deutsche Bundesfilmpreise und das Filmband in Gold, der Goldene Bär der Filmfestspiele Berlin, ein Bambi sowie das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1994 hält Heinz Sielmann als Honorarprofessor Vorlesungen an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo das Ehepaar Sielmann heute lebt. Und auch die Filmkamera hält der Jubilar weiterhin in seiner Hand.

Ganz im Sinne seiner Devise "Naturschutz als positive Lebensphilosophie" lautet denn auch sein Rückblick auf das eigene Schaffen: "Ich bin glücklich, auf ein langes Leben in der Natur zurückblicken zu können. Besonders die Erkenntnisse der letzten Jahre haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, uns in unserer Maßlosigkeit gegenüber unserer Umwelt einzuschränken. Deshalb versuche ich das, was mich die Natur in so vielen Jahren gelehrt hat, an Kinder und Jugendliche weiterzugeben."


 
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