© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002


Appell für die Pressefreiheit
Grundsätzliche Erwägungen
Dieter Stein

Seit Anfang Mai sammelt die JUNGE FREIHEIT Unterschriften für einen "Appell für die Pressefreiheit". Als wir den Aufruf starteten, konnten wir nicht ahnen, welche Brisanz er durch die sogenannte Karsli-Möllemann-Affäre erhalten sollte.

Das Interview, das die JUNGE FREIHEIT mit dem aus den Grünen ausgetretenen Deutsch-Syrer geführt hatte (JF 19/02), war Auslöser für die bis heute tobende Debatte um Möllemann und den Kurs der FDP. Im Rahmen der Presseberichte über das Karsli-Interview wurde überdeutlich, welche Konsequenz die Praxis des NRW-Verfassungsschutzes hat, die JUNGE FREIHEIT seit 1995 mit dem Vorwurf "tatsächlicher Anhaltspunkte für den Verdacht auf rechtsextremistische Bestrebungen" zu überziehen und auf zehn Seiten im Kapitel "Rechtsextremismus" zu "erwähnen". Unkritisch verkürzen viele Medien die "Verdachtsäußerung" des NRW-Innenministers und bezeichnen die JF kurzerhand als "rechtsextremistisch" (so zum Beispiel Express, taz, Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung).

Der Vorwurf des Rechtsextremismus wurde von einigen Zeitungen sogar durch den mittlerweile inflationär gebrauchten Vorwurf des "Antisemitismus" zu maximaler Größe aufgeladen. Entscheidend dabei ist, daß sich die betreffenden Zeitungen, die diese Verdächtigungen artikulieren, hierbei nicht auf eigene Recherche, sondern allein auf die skandalösen Denunziationen des NRW-Verfassungsschutzes stützen.

Inzwischen hat sich die "schwer nachvollziehbare und offenbar parteipolitisch motivierte Einstufung" (Die Welt) der JF endgültig als öffentlicher Skandal entwickelt. Bis heute haben über 2000 Bürger aus dem In- und Ausland den Appell (siehe Seite 6) unterschrieben. Zu den Unterzeichnern zählen inzwischen so bekannte Namen wie der Fernsehjournalist Franz Alt, der SPD-Politiker und Bundesforschungsminister a. D. Andreas von Bülow, Ferdinand Fürst von Bismarck, der Verleger Herbert Fleissner, der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann, der Soziologe Prof. Erwin K. Scheuch, der Staatsrechtler und langjährige Präsident des bayerischen Senats, Prof. Walter Schmitt-Gläser, der Staatsrechtler Prof. Wolfgang Seiffert, der Philosoph Prof. Robert Spaemann und der CSU-Politiker Otto von Habsburg.

Nun wurde am 3. Juni der Appell in einer ganzseitigen Anzeige in der FAZ publiziert, am 5. Juni halbseitig in der Süddeutschen Zeitung. Ein Erfolg. Wie schwierig der Einsatz für die Pressefreiheit und wie gering die Solidarität unter deutschen Zeitungen bedauerlicherweise ist, dokumentieren aber folgende Vorgänge: Die FAZ lehnte es aus "grundsätzlichen Erwägungen" ab, die ganzseitige Anzeige im am meisten gelesenen politischen Teil zu plazieren und war nur bereit, sie im Kulturteil zu drucken. Die Springer-Zeitung Die Welt lehnte eine Veröffentlichung des Appells kategorisch "aus grundsätzlichen Erwägungen", die taz und die Frankfurter Rundschau ohne Begründung ab. Ein zutiefst beschämender Vorgang, der helles Licht auf den Zustand geistiger Freiheit in Deutschland wirft. 


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