© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002


Das neue Gesicht der FDP
von Ronald Gläser

Selten hat das Erscheinungsbild eines etablierten Politikers einen solchen Wandel durchgemacht. Jürgen Möllemann war in den achtziger Jahren das Ziehkind Hans-Dietrich Genschers. In den Neunzigern entwickelte er sich zum enfant terrible der Liberalen. Und nun hat er sich von all seinen Mentoren emanzipiert und der FDP ein neues Gesicht verpaßt. Mit seinem Triumph auf der Landesvorstandssitzung der NRW-FDP hat er sich klar gegen Lambsdorff und Genscher gestellt. Er hat sogar dem Bundesvorsitzenden Westerwelle seinen Willen aufgezwungen. Die große Mehrheit der Partei hatte gefordert, den Abgeordneten Karsli auch aus der Fraktion zu verbannen. Doch Karsli bekommt eine Bewährungsprobe und wird vermutlich später unspektakulär auch Parteimitglied werden. Für viele ist jetzt klar, daß die FDP zwei Vorsitzende hat.

Die Richtigkeit der neuen Linie bei den Liberalen wird durch die Nervosität bei ihren Gegnern bestätigt. Selbst CSU-Chef Stoiber, der sich der sogenannten Neuen Mitte als butterweicher Kandidat anbietet, spürt die Sogwirkung auf seine Stammwähler. Von allen Seiten wird Möllemann deswegen kritisiert. Aber seine zielstrebige Vorgehensweise beweist, daß er eine Strategie verfolgt und von der Richtigkeit seines Handelns überzeugt ist. Der Ausgang der Sachsen-Anhalt-Wahl für FDP und Schillpartei muß in diesem Zusammenhang neu interpretiert werden. Völlig unerwartet ist Möllemann zum deus ex machina des deutschen Parteiensystems geworden.


 
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