© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002

 
Gut für den sozialistischen Stallgeruch
SPD: Mit der Zeitung "Blick nach rechts" hält sich die Partei ihr hauseigenes Antifa-Organ
Siegfried Übach

Abseits des Rummels um den Möllemann/Friedman-Disput ereignete sich, von dem Medien nur gering beachtet, ein Fauxpas, verursacht durch einen Dritten, der seine Nase zu sehr in den Wind gestreckt hatte.

Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte am 13. Mai auf einer Berliner SPD-Funktionärskonferenz proletarischen Kampfgeist beweisen, haute auf den Putz und verzettelte sich in Wahlkampfrhetorik. In seiner dort gehaltenen Rede beschwor er die alte linke Angst vor spukenden Dämonen: "Es geht ein Gespenst um in Europa, nämlich das Gespenst eines erstarkenden Rechtsradikalismus in vielen Ländern Europas." Hiergegen müsse ein sozialdemokratisches "Bollwerk" errichtet werden, meinte Schröder. Im Kreise seiner Getreuen ließ Schröder es sich dann nicht nehmen, die Gespenster genauer zu definieren. So äußerte er: "Wir werden nicht zulassen, daß dieses Europa Leuten wie Berlusconi, Haider, Le Pen oder sonst wem in die Hände fällt."

Dieser Tonfall war ganz nach dem Geschmack einiger Genossen. Besonders wohlig wurde es aber einem ums Herz: dem Journalisten Helmut Lölhöffel. Der in Königsberg geborene und in Niedersachsen Aufgewachsene hat sich als Lokalredakteur in Köln verdingt, war Redakteur bei ddp und arbeitete als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau. 1999 bekam er den Medienpreis des Deutschen Bundestages von Bundestagspräsident Thierse überreicht. "Mein Herz schlägt links", bekannte er 2000 freimütig, allerdings betrübte ihn der Fortgang Oskar Lafontaines aus dem Bundeskabinett so sehr, daß er aus der SPD austrat, um sich fortan als "parteiloser Sozialdemokrat" zu präsentierten. Nichtsdestotrotz erkannte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit Lölhöffels Qualitäten und ernannte ihn 2000 zum Vize-Sprecher des Senats.

Seit 1997 fungiert Lölhöffel als Herausgeber eines einschlägig bekannten "Informationsdienstes" unter dem Namen Blick nach rechts. Blick nach rechts ist das gemäßigte, immer wieder seine angebliche "Seriosität" beteuernde, hauseigene "Antifaschismus"-Organ der SPD. Hier gibt man sich schlichter, sachlicher und leichtverdaulicher als bei den eindeutiger der linksradikalen Subkultur entwachsenen "Antifa"-Blättern, wie beispielsweise Der rechte Rand. Doch markige Überschriften und bekennende Kommentare lassen keinen Zweifel aufkommen, daß man beständig bemüht ist, "rechtsgerichtete" Gegner zu observieren und im Falle ihrer Ausübung der Meinungsfreiheit zu attackieren. Schließlich wollen gutbezahlte SPD-Ministersessel nicht nur durch Verfassungsschutzorgane gesichert bleiben, sondern bedürfen weitergehender Schutzmaßnahmen. Hierbei kommt willfährigen Helfern wie Lölhöffel Bedeutung zu.

Neider gibt es überall, auch im Bereich des organisierten "Antifaschismus". Der PDS-Anhänger und Konkret-Autor Peter Kratz, ein Dr. Watson der "Antifa", dem selbst in Kreisen der radikalen Linken "wirres Denunziantentum" vorgeworfen wird, wittert die Volksfeinde schon lange in den eigenen Reihen. Auch bei Helmut Lölhöffel wurde Kratz fündig und klärte im Internet über dessen "alte Neonazi-Seilschaften" auf. Schließlich sei Lölhöffel in der Jugend Aktivist der "Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft e.V." gewesen, eine "Nazi-Sekte", wie Kratz sich kundig gemacht hat. Lölhöffel unterhalte Kontakte zu seinem alten "Neonazi-Mitstreiter" Ulrich Rosenbaum, tätig in der SPD-eigenen Hamburger Morgenpost, und verbreite zusammen mit dem Journalist Burkhard Schröder Internet-Links zu neonazistischen Aufrufen. Kratz vermutet System dahinter und verbreitet die bange Frage: Könnte der Blick nach rechts am Ende doch nur ein geschickt aufgemachtes "Nazi"-Werbeblatt sein?

Gegründet wurde das Blatt 1980 allerdings aus ganz anderer Ecke. Der Journalist Kurt Hirsch hatte es als Öffentlichkeitsorgan seiner 1968 ins Leben gerufenen Vereinigung "Pressedienst Demokratische Initiative" (PDI) aus der Taufe gehoben. Ziel des PDI sollte die "Aufklärung" vor "reaktionären" und "neofaschistischen" Tendenzen sein. Die glaubte man damals vor allem in der Person des CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß auszumachen und initiierte mit einem breiten linkssozialistischen Unterstützer-umfeld in Politik und Medien die große Kampagne gegen den politischen Konservatismus. Hirsch versuchte, den Erfahrungsschatz der DDR auf Westdeutschland anzuwenden. Zu seinem Bedauern wurde deshalb 1993 gegen ihn ein Verfahren der Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Agententätigkeit für die Stasi eingeleitet.

Das finanzielle Dilemma hatte Hirsch schon vor Honecker und Mielke ereilt. 1983 war der PDI pleite und mußte sämtliche Tätigkeiten einstellen. In dieser Situation erinnerten sich die SPD-Genossen an das geschickt nutzbare Blättchen Blick nach rechts und brachten es fortan ab 1984 als SPD-Pressedienst heraus. Heute residiert man in einer SPD-eigenen Immobilie neben dem Willy-Brandt-Haus, unterhält seit 1996 eine Internetseite, auf der man ein infantiles Spiel gegen "rechte Sprüche" anbietet und eine wirre Deutschlandkarte mit verzeichneten "rechten Vorfällen", also "behördlichen" und "verbalen Rassismus", "Drohungen" oder "rechten Versammlungen". Auch in der Jugenderziehung ist man aktiv, so schrieb der Blick nach rechts Ende 2001 den Wettbewerb "Du gegen Rechts" aus, bei dem zum Beispiel zehn 12- bis 15jährige Kinder der Rintelner Pestalozzischule das Theaterstück "Drachen gegen Rechts" aufführten. In der Jury saßen unter anderem Frank Jansen vom Tagesspiegel, Gabriele Nandlinger und natürlich Helmut Lölhöffel vom Blick nach rechts. Zu dem Sponsoren gehörte auch das Bundesministerium des Innern. Die Schirmherrschaft übernahm Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.

Das Rezept des Blick nach rechts ist einfach. Immer wieder sollen Sozialdemokraten und gestandene "Antifaschisten" mit den Weihen der Seriosität und Moralität ausgestattet werden, "Rechte" - also je nach Bedarf "Neonazis", "Faschisten" oder Konservative - werden dagegen als unseriös, dumm und/oder gefährlich dargestellt. Für ihre Kurzartikel ist die Blick nach rechts-Crew nicht wählerisch. Funktionäre der DKP-Vorfeldorganisation "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" gehören ebenso zu den Berichterstattern wie bekannte Namen der "Antifa"-Publizistik. Darunter der Kölner Hochschullehrer Christoph Butterwegge, der sich mit Vorliebe in PDS-Arbeitsgruppen umhertreibt, oder ein allgegenwärtiger Autor unter dem Pseudonym Anton Maegerle. Mit dabei auch, als vornehmes Aushängeschild, Armin Pfahl-Traughber, Mitarbeiter beim Bundesamt für Verfassungsschutz. So schließen sich Kreise.

Zurück zu Kanzler Schröder. Kurz nach seinen Vorwürfen auf der SPD-Funktionärskonferenz traf der Medienkanzler am Dienstag anläßlich des Nato-Rußland-Gipfels bei Rom mit Silvio Berlusconi zusammen. Die umstrittene Textpassage mußte deshalb abgemildert werden. Lölhöffel, dem Schröders Verbalexzeß so gut gefallen hatte, daß er den Text im Blick nach rechts veröffentlicht sehen wollte, gab klein bei. Nun heißt es offiziell: "Wir lassen nicht zu, daß dieses Europa in die Hände rechter Populisten fällt." Der Blick nach rechts wird hiermit vorerst leben müssen.


 
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