© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/02 07. Juni 2002

 
Kolumne
Am Volk vorbei
Klaus Hornung

In Wahlkampfzeiten zeigen die Politiker den Wählern ihre Schokoladenseiten. Manchmal geht das aber auch schief und es fallen die Masken. So war es jüngst bei Gerhard Schröder. In einer Funktionärsversammlung seiner Partei entschlüpfte ihm der Satz: "Wir werden nicht zulassen, daß dieses Europa den Populisten oder sonst wem in die Hände fällt."

Welch ungewollte Enthüllung des Demokratieverständnisses des "guten Linken", der vor zwei Jahren zum "Aufstand der Anständigen" aufgerufen hatte. Hinter der Maske der "Neuen Mitte" lugt der alte Antifaschismus seit Juso-Tagen hervor. Nicht die freiheitliche und pluralistische Demokratie, sondern die sozialistisch-antifaschistische ist die einzig wahre und richtige Demokratie. Schon einmal, im Wahlkampf 1972, hatte ein SPD-Vorsitzender gedroht, "die Betriebe zu mobilisieren" und zu "holzen", um die Macht zu behaupten. Drohen die antifaschistischen Gutmenschen abgewählt zu werden, dann ist die Demokratie in Gefahr, dann holt man heute eben die Faschismuskeule hervor, nach dem bekannten Muster "konservativ = rechts = populistisch = rechtsextrem". Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn diese Masche nicht auch 2002 wieder funktionieren sollte!

Diese Machtarroganz verhindert natürlich das selbstkritische Nachdenken darüber, warum die Leute den "Gutmenschen" weglaufen. Man entdeckt keinerlei Selbstkritik, daß gerade die Linken sich fortgesetzt arrogant und volksfern über die Interessen und Wünsche der Bevölkerungsmehrheit in bezug auf Einwanderung, Abgabenbelastung und innere Sicherheit hinwegsetzen und ihre großen "Reformprojekte", diese ideologischen Kopfgeburten von Halbintellektuellen, "den Leuten" einfach überstülpen wollen. Wehe, wenn sie dann nicht parieren, dann werden sie mit neo-totalitären Kampfbegriffen wie "Fremdenfeindlichkeit" oder "dumpfe Stammtischatmosphäre" niedergemacht. Und dann sollen diese "allerdümmsten Kälber" diejenigen auch noch wählen, die sie im Tiefsten verachten.

Noch gilt wohl der alte Satz Abraham Lincolns: "Du kannst einige Leute eine Zeit lang für dumm verkaufen, aber nicht die ganze Zeit alle." Die alte Masche, diejenigen, die sich gegen die "antifaschistisch-demokratische Ordnung" wehren, als "rechtsextremistisch", neuerdings auch als "populistisch" niederzubügeln, verfängt immer weniger. Jüngster Zeuge dieser Wende waren die Niederlande. Da nützt es auf Dauer auch nicht, den eigenen Machtanspruch in hochmoralische Tücher zu wickeln und zum "Anstand der Anständigen" gegen die "Rechten" aufzurufen. Gerade die Moralisierung der Politik läßt sie totalitär werden.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung ist Politikwissenschaftler und Präsident des Studienzentrums Weikersheim.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen